Lombardischer Kirchenbau.
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entwickelt sich, nicht ohne nordische Einwirkung, derjenige Styl des
Kirchenbaues, welcher von Manchen als der lombardische schleehtweg
bezeichnet wird. Mit grossem Unrecht würde man aber diese Benen-
Dung (wie schon geschehen) auf den romanischen Styl überhaupt aus-
dehnen; der Norden hat hier gewiss eher gegeben als empfangen, und
Seine Bauten sind viel strenger in einem bestimmten Sinne durchge-
führt als die lombardischen; sie geben gerade das VVesentliche: den
Gewölbebau mit gegliederten Pfeilern, ungleich consequen-
ter und edler. In Einer Beziehung aber bleiben die italienischen
Originell: im Fassadenbau. Die romanische Architektur des Nor-
dens hatte von frühe an die Tliürme, zu zweien, zu vieren, als
wesentliche Bauglieder an den Ecken der Kirche angebracht; seit dem
Vorgang normannischer Baumeister nach der Mitte des XI. Jahrhun-
derts Wurden die Thiirme sogar zum Ilanptmotiv aller bedeutendem
Kirchenfassaden. In Italien dagegen blieb der Tßirm als Nebensache
auf der Seite stehen, und die Fassade war auf irgend eine andere
Weise zu decoriren. Wir sahen, wie die Toscaner durch Anwendung
des Marmors, durch mehrere Stockwerke von Säulcnstellungen zu wir-
ken wussten; ihre Fassade ist immer der wenigstens annähernde Aus-
druck der Kirche, d. h. eines hohen Mittelschiffes und niedrigerer Neben-
schiffe. In Oberitalicn dagegen wird die Frontwand nur allzu oft als
ein Gegenstand beliebiger Bildung und Deeoration vor die Kirche hin-
gestellt; ohne Absatz steigt sie empor, als wären alle drei Schiffe
gleich hoch; Galerien laufen qnerüber und am Dachrand auf und nie-
der; als Strebepfeiler dienen Vorgesetzte Säulen, deren Capitäle in der
Regel nichts tragen; Bogenwerk, WVandsäulchen, Sculpttiren oft ohne
allen Sinn füllen den Raum wohl oder übel aus. (Der Portalbau ist
oft von grosser Pracht, seine Gliederung theils nordisch mit schräg
einwärts tretenden Säulenreihen, theils südlich mit vorgesctzter Halle
von zwei Säulen, inder Regel auf Löwen, theils aus beiden Motiven
zusammengesetzt.) Auch an den übrigen Anssenseiten macht sich
eine willkiirlichere Verzierung geltend als an den bessern Kirchen des
Nordens. Über der Kreuzung der beiden Arme wird wo möglich
eine achteckige Kuppel angebracht, mit Galerien ringsum, ilach gedeckt.
Mehr als im Norden und in Toscana ist hier eine unbarmherzige
Modernisirung über das Innere der Kirchen ergangen. Während die