Volltext: Architectur (Bd. 1)

San Marco in Venedig. 
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seiner Macht (um 1500) wohl gehütet, es etwa durch eine Renaissance- 
kirche zu ersetzen. Sanct Marcus war Herr und Mittelpunkt der Stadt, des 
Staates, der Flotten, die auf allen Meeren fuhren, der fernsten Colonien 
und Faetoreien; geheimnissvolle Bande walteten zwischen dem ganzen 
Venetianischen Dasein und diesem Bau. In den fünf letzten Jahrhun- 
derten ist Niemand mehr darin begraben worden; es hätte geschienen, 
als dränge sich ein Einzelner in dem Raume vor, der allen gehörte. 
Die einzige Ausnahme, zu Gunsten des Cardinals Giov. Batt. Zeno, 
Wurde gemacht als die Kunstbegeistcrung einen Augenblick stärker 
war als jede andere Rücksicht (15023-1515). 
Rein als Bauwerk betrachtet, ist S. Marco von Aussen ziemlich 
nichtig und ungeschickt. Die Kuppeln heben sich in der "Wirkung ge- 
genseitig auf; die Fassade ist die unruhigste und zerstreuteste die es 
giebt, ohne wahrhaft herrschende Linien und ausgesprochene Kräfte. 
Anders verhalt es sich mit dem Innern. Man wird dasselbe vor allem 
grösser finden, als der Eindmick des Äussern erwarten liess, trotz der 
Bekleidung mit Mosaiken auf Goldgrund, die sonst ein Gebäude eher 
verkleinert und trotz der Aussenhalle , Welche für den Eifcct des In- 
nern natürlich in Abrechnung kömmt. Diese scheinbare Grösse be- 
ruht auf den einfachen, gar nicht (wie am Äussern) in kleine Motive 
zersplitterten Hauptfornien; die Mittelriiume sind wirklich gross und 
gleichsam aus Einem Stück, die Nebenschiiie versprechen eine bedeu- 
tendere Ausdehnung, als sie in der That besitzen. Auch die Kuppeln 
gewähren hier eine Bereicherung der Perspective und eine scheinbare 
Erweiterung des Raumes. Sodann macht die ernste, gediegene Pracht 
sämmtlicher Baustoffe, hier im Dienste grösserer Einfachheit, immer 
eine grosse Wirkung. Ihr jetziges Hauptlicht hat die Kirche erst im 
XIV. Jahrluuidert, durch das grosse Rundfenster des südlichen Quer- 
schiffes erhalten; vorher war sie nach byzantinischer Art ziemlich dun- 
kel; die wichtigsten Gottesdienste gingen wohl bei starker Lampenbe- 
leuchtung vor sich.- Noch grösser als die bauliche Wirkung ist aber 
die malerische im engern Sinn, Welche S. Marco zum Lieblingsbau der 
Architekturmalei- gemacht hat. Sie beruht auf den geheimnissvollen 
Durchblicken mit scharfabivechselnder Beleuchtung 1), auf der gedämpf- 
1) Die duukeln, satten Farben des meisten Steinwerkes wären rellcxlos ohne die 
eigenthümliche Spiegelglätte der Flächen desselben.
	        
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