Volltext: Architectur (Bd. 1)

Sun Marco in Venedig. 
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von jeher mit Vorliebe festgehalten hatten. Die halbrunden Abschlüsse 
der Hauptmauern, welche uns so befremdlich vorkommen, sind ur- 
sprünglich nichts als die äussere nach orientalischer Art dachlose Ge- 
stalt der Seitenbogen, auf welchen die Kuppeln ruhen; in decora- 
tivem Sinn wurden sie dann auch an den untergeordneten Räumen 
reihenweise wiederholt. (Die jetzige Verzierung derjenigen an S. Marco 
mit Blattwerk, Giebeln und Zwischenthiirmchen stammt erst aus dem 
XIV. Jahrhundert.) 
Die Höhe der Kuppeln ist, wie man leicht bemerkt, eine falsche, 
d. h. der innern Schale nicht entprechende. Nach der Mosaikabbil- 
dung (am äussersten Frontportal links) zu urtheilen, war sie es von 
jeher. 
Vom Detail ist die Bekleidung sämmtlicher untern WVandilächen 
mit kostbaren Steinarten und die der obern mit Mosaik noch ganz im 
Sinne des ersten Jahrtausends, das sich immer auf den Steif verliess, 
wenn es einen höhern Eindruck hervorbringen wollte. Alles dasjenige 
Detail dagegen, welches das Leben und die Entwicklung der Bau- 
masse plastisch darzustellen hat, ist überaus ärmlich; die Gesimse 
jedes Ranges sind kaum zu bemerken; die Bogen, Kuppelränder u. s. w. 
im Innern haben nicht einmal ausgesprochene PTOfllG, sondern nur 
einen unbestimmten Mosaikrand; am Aeussern bestehen die Proüle 
theils in blosser Verzierung, theils in ausdrucklosem und willkiirlichem 
Bandwerk. Dies Alles sind echt byzantinische, oströmische Eigenthiim- 
lichkeiten; ebenso auch die Bekleidung der äussern Wandilächen mit 
zerstreuten Reliefs und Mosaikzierrathen, die namentlich in den obern 
Halbrundwänden der Palastseite den Charakter einer vor Alter kindisch 
gewordenen Kunst zeigen.  Wie dieselbe in Betreif des Details bei- 
nahe nur das Längstvorhandene aufbraucht, ist namentlich in Einer 
Beziehung interessant zu verfolgen. 
Die Leidenschaft, möglichst viele Säulen an und in dem Gebäude 
aufzustellen, verlangte auch eine reiche Auswahl von Capitälen. Und 
so ist an S. Marco angebracht, was die sieben letzten Jahrhunderte 
an Capitälformen producirt hatten, eine wahre baugeschichtliche Re- 
petition. Von antiken habe ich kein einziges entdecken können, wäh- 
rend von den Säulen wahrscheinlich sehr viele antik sind; dafür ist 
jeder Grad von frühmittelalterlicher Nachahmung und Umbildung der 
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