Baptisten-mm und Campanile von Pisa.
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den spätem Baugedanken gehört, ebenso ihre Aussenwand, welche
eine obere Pilasterordnung über den Wandbogen bildet.
Vollständiger spricht sich dann dieser gereinigte Styl im Bapti- a
sterium aus, welches 1153 von Diotisalvi gegründet wurde. (Die
gothischen Zuthaten, Baldachine, Giebel, Spitzthürmchen sind erst im
XIV. Jahrhundert hinzugekommen.) Man wird hier durchgängig die
Formenbildung des Domes veredelt und vereinfacht wieder linden, die
Bogenproüle, die Moseicirung der Füllungen u. s. w. Auch meldet
sich an der iiussern Galerie wie im Innern, wenn nicht durchgängig,
so doch vorherrschend das eigenthiimlich romanische Capitiil. Ganz
besonders wichtig ist aber die Unterbrechung nach jeder dritten Säule
im Innern durch einen Pfeiler, und zwar im obern sowohl als im un-
tern Stockwerk; worin sich deutlich das Verlangen nach einem höhern
baulichen Organismus ausdrückt. Ebenso ist die hohe konische Innen-
kuppel nur eine ungeschickte Form für das Bedürfniss nach einem
leichten, strebenden Hochbau. Die Schranken um den Mittelraum
und die Einfassung des Taufbeckens zeigen, welch ein neues Leben
auch innerhalb der Decoretion erwacht wer, wie man auch hier sich
von dem blossen Mosaik mit Prachtsteinen losmachte zu Gimsten einer
reinen und bedeutenden plastischen Verzierung.
Seit 1174 bauten Wilhelm von Innsbruck und Bonannusb
das Campanile, den berühmten schiefen Thurm 1). Hier ist die
1) Die berühmte Frage über Absicht oder Nichtabsicht beim Schiefbau erledigt
sich bei einiger Aufmerksamkeit leicht. Offenbar wurde der Thurm lothrecht
angefangen und senkte sich, als man bis in das dritte Stockwerk gelangt wwar,
worauf man ihn schief aushaute. Bei diesem Anlass hat E. Förster
(Handbuch ctc., s. d. Art.) eine allgemeine Ansicht nicht nur ülmi- diesen
Schiefbau, sondern über die Bauungleichheitcn der sämmtliclien umliegenden
Prachtgchäuile entwickelt, welcher ich Anfangs glaubte bcipiiichtcn zu müs-
sen, bis die Vergleichung anderer italienischer Gebäude des XI. und XII.
Jahrhunderts mich wieder davon ahhrachte. Der Raum erlaubt mir hier
keine Widerlegung, sondern nur Gegenbehauptungen, deren Bündigkeit der
Leser beurtheilen mag.
Für's Erste wagte man damals allerdings absichtlich e S chiefbau-
ten; dieser Art ist wohl die Garisenda in Bologna, ein Werk der Prahlerei,
des adlichen Erbauers oder des Architekten; die daneben stehende Torre
degli Asinelli könnte schon eher durch Senkung des Bodens schief gewor-