Fiesole, Beato Fra Giovanni Angelico da.
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Staifeleibildern von grösserem Maassstabe macht sich jener Mangel naturgemässer
Durchbildung der Formen, bei aller feierlichen Würde in der Gesammterscheinung
der Gestalten hauptsächlich geltend. Es scheint, als habe er in denselben eine fromme
Befangenheit ficht überwinden können, während er in den Predellen, Giebelbildem
n. s. w. mit ihren kleineren Figürchen sich so frei und schön bewegte; auch wirkt
die überlleissige Ausführung bei der ungenügenden allgemeinen Körperkenntniss
nicht günstig. Dagegen nähern sich seine Wandmalereien, insbesondere diejenigen,
womit er seinen langjährigen Wohnsitz, das Dominikanerkloster S. Marco zu Florenz,
schmückte, einer viel grösseren Vollkommenheit. Hier machte die Frescomalerei
eine gewisse Mässigung in den Darstellungsmitteln unvermeidlich; hier konnte er,
nicht beängstigt durch den Gedanken ein Cultusbild malen zu müssen, seine Ideen
frisch, wie ihn der Geist trieb, verwirklichen. An ihnen lernt man am Besten das
Gemüth des edlen und liebevollen Meisters kennen und verstehen.
In diesen Wandgemälden von S. Marco, die uns ein gütiges Schicksal noch sehr
gut erhalten, ist fast die höchst mögliche Lösung der betreffenden Aufgaben erreicht,
ja der darin zur Erscheinung kommende überquellende Reichthnm an den schönsten
und naivsten Köpfen ist gepaart mit einem Geist und einer Tiefe in der Auffassung
der Thatsachen, wie sie nur den grössten Meistern eigen ist. Ueber dem Eingange
hat er als schönstes Denkmal der Gastfreundschaft zwei Dominikaner gemalt, wie
sie den als Pilger verkleideten Heiland gastlich aufnehmen. Ueber einer anderen
Thüre sehen wir Christus im Grabe, eine Rechtfertigung für Alle, welche die Welt
verlassen, um in der Klosterzelle der Auferstehung zu harren. Ueber der Kirchen-
thüre: ein Bild des Schweigens, als Symbol des beschaulichen Lebens. Dann am
Ende des ersten Kreuzganges: den heil. Dominicus in der Andacht zum Kreuze. Im
Kapitelsaale malte er den Gekreuzigten, wie er von einer sehr grossen Anzahl von
Heiligen, die in Bewunderung, Schmerz, Ekstase auf den Gekreuzigten schauen,
angebetet wird eines der herrlichsten Werke der Welt in Beziehung auf Tiefe
des religiösen Ausdrucks. Im obern Klostergange finden sich eine wunderbar schöne
Verkündigung, eine Madonna in trono mit Heiligen, und Christus am Kreuz. An
diesen Gang stossen nun die Zellen der Klosterbrüder, die sämmtlich 32 an der
Zahl mit Wandgemälden geschmückt sind. Die vorzüglichsten darunter sind: die
Verkündigung, die Geburt, Anbetung der Könige, Taufe, Darstellung im Tempel,
Verklärung auf Tabor, die Bergpredigt, die Versuchung, das Abendmahl, Gebet am
Oelberg, Kreuztragung, Christus am Kreuz, Grablegung, Christus in der Vorhölle,
die Marien am Grabe, die Krönung hIariä u. s. w. Alle diese Gemälde bilden zu-
sammen einen Cyklus aus der Lebens- und Leidensgeschichte des Erlösers und jedes
einzelne Bild enthält einen Heiligen, wahrscheinlich den Patron des Mönchs, der
gerade die Zelle bewohnte, Wodurch die Darstellung der Vergangenheit, überhaupt
der Zeit, entrückt und in eine fortwährende Gegenwart versetzt wird.
Ausser diesen und anderen Wandmalereien, sowie grösseren Staffeleibildern sind
von Fiesole eine Menge kleinerer Bilder bekannt, die über ganz Europa zerstreut
sind. Wir geben in Folgendem ein Verzeichniss sämmtlicher Werke des Meisters,
die sich uns erhalten und von denen wir Kunde haben, Man sieht. im Museum zu
Antwerpen: den heil. Ambrosius, der dem Kaiser Theodosius den Eintritt in den
Tempel verwehrt; im Besitz des Hrn. Beckford zu Bath (England): Maria und den
rerkündigenden Engel, ein vom innigsten Gefühle schöner reiner Andacht durch-
flfllngenes, im zartesten Schmelz ausgeführtes Bild; im Museum zu Berlin: ein
Jüngstes Gericht (jedoch nur geringen Theils von seiner Hand und, wie Waagen
annimmt, von Cosimo Roselli vollendet); Maria mit dem Kinde auf dem Throne,-
von den h. h. Dominicus und Petrus lilartyr verehrt; die h. h. Dominicus und Francis-
cus; den heil. Franciscus von seinen Ordensbrüdern auf einer Wolke getragen; zu
CoIrtona in S. Domenico: Madonna. mit Heiligen, Wandgemälde über der Eingangs-
thufie, 1m Bogen die vier Evangelisten; ferner: eine Madonna mit Engeln und vielen
Helhgen (1f140), eine fir den Hauptaltar bestimmte, der Kirche von Cosimo und
LOFQIIZO de Medici geschenkte Tafel (jetzt im Chor); in der Kirche al Gesn: eine
Müller, Künstlerlexikon, 11, 4