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Fiesole Beate
Fra Giovanni Angelico da.
schaft, Kampf mit der Leidenschaft und Ueberwindung derselben kennt er dagegen
gar nicht. Es ist eine verklärte seligere Welt, welche er unsern Augen eröffnet.
Er sucht die Gestalten, welche er uns verführt, mit der höchsten Anmuth, wie sie
nur seine Hand auszudrücken vermochte, zu bekleiden; der süsseste Liebreiz kehrt
in allen seinen Gesichtern wieder. Ein harmonievoller Rhythmus leitet alle Bewe-
gungen, die heitersten Farben sind, wie in einem Friihlingsgarten, für die mit unge-
meiner Feinheit für seine Zwecke benützten Gewänder dieser Gestalten gewählt und
mit zartem harmonischem Schmelz behandelt; die reichste Fülle zierlicher Goldorna-
mente ist über das Ganze ausgegossen Alles, was nur zur Verherrlichung der
Heiligen dienen konnte, ist in seinen Gemälden angewandt. Er wird daher auch
mit Recht als der vollendetste Meister, der Repräsentant der rein kirchlichen Rich-
tung der Malerei während des 15. Jahrhunderts betrachtet, und das Beispiel ernster
Frömmigkeit, das er in seinen Gemälden gab, hat gewiss dazu beigetragen, auch
der in Masaccio beginnenden Richtung auf Darstellung der Wirklichkeit die reli-
giöse Wiirde zu erhalten.
In dieser seiner Eigenthiimlichkeit tritt aber auch eine gewisse Einseitigkeit,
Welche zwar der ganzen Richtung anklebt, aber doch tief in seiner eigenen Natur
begründet war, scharf hervor. Fiesole ist unerreichbar, wenn er Engel und Selige
in begeisterter Verklärung darstellt; er ist gross in der Darstellung aller passiven
Empfindungen, denn auch den tiefsten Seelenschmerz weiss er auszudrücken, wie
er den Charakter milder Seelengrösse durch eine Unermesslichkeit von Abstufungen
hindurch zu fuhren verstand. Aber er ist schwach, zaghaft, befangen, wenn Men-
schen in ihrer Menschlichkeit, in irdischer Leidenschaft vorgeführt werden sollen;
der Ausdruck des Bösen und Schrecklichen steht ihm nicht zu Gebot, es widerstrebte
seiner ganzen Gemiithsart. Und nicht bloss den Groll und die Rachbegier in den
Feinden Christi darzustellen gelang ihm nicht, selbst jedes entschiedene Handeln ist
mangelhaft ausgedrückt; es fehlt seinen Gestalten sogar, auch wo diese sich momen-
t-an in vollkommener Ruhe befinden, die Kraft zur That, und sei es die höchste und
heiligste, wie namentlich seine Darstellungen Christi, dessjenigen, in dessen Gestalt
ebensosehr menschliche Kraft, wie göttliche Heiligung hervortreten müssen, bei
aller Schönheit und Milde ganz ungenügend sind. Mit diesen Mängeln hängt eine
gewisse Unklarheit in der Kenntniss vom Organismus des menschlichen Körpers zu-
sammen; dem unteren Theil desselben geht diejenige Entschiedenheit in Schritt und
Stellung ab, wehche schon Giotto sich angeeignet hatte. Das Nackte ist unvoll-
kommen nnd die Gegenstände sind nach und noch unzulänglich gerundet. Hinsicht-
lich der Ausbildung der Kunst, aber auch nur in solcher, behauptet daher Masaccio
den Vorzug vor Fiesole. Auch hat der erstere in. bedeutungsvoller Auffassung der
Mannigfaltigkeit menschlicher Gesichtsformen unstreitig grössere Verdienste als der
letztere, in dessen Köpfen häufig eine gewisse Einförmigkeit der Grundgestaltung'
wiederkehrt. Eigenthümlich bleibt ferner, dass Fiesole in seinen Greisenjahren noch
das Staunenswiirdigste leistete, wie seine Geschichten der h. h. Stephanus und Lau-
rentius in der Kapelle des h. Laurentius im Vatikan beweisen, und dilSS der bereits
alternde Mann noch mit aller Anstrengung so viel von dem, was inzwischen von
Masaccio und Anderen in der Ausbildung der Kunst errungen und gewonnen war,
einzuholen suchte, was seiner Richtung gemäss war. Die anmuthige Erzählungs-
weise dieser Fresken Weist einen Schatz schöner geistvoller Ziige aus dem wirklichen
Leben und ist mit einer änsseren Wahrheit der Farbe verbunden, wie sich dies von
keinem früheren Werke des Meisters so behaupten lässt.
Fiesole's erste Uebung in der Kunst soll in der Miniaturmalerei bestanden haben,
worin ihn sein älterer Bruder unterrichtetj auch werden Voll VaSa-ri mehrere für
das Kloster S. Marco zu Florenz ausgeführte Messbücher gerühmt, welche er mit
Miniaturen gesehmüekt habe. M311 glaubt noch einige derselben in jenem Kloster
erhalten; mit Bestimmtheit können sie ihm aber nicht zugeschrieben werden. Sehr
ZahlTeiCh ist dagegen die Menge kleiner Tafelbilder, welche er ausgeführt und von
denen die Gadlerie der llorentiner Akademie das Bedeutendste vereinigt. In seinen