Ferrari, Gaudenzio.
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Antonio Zanotti und Bernardino Ferrari, ferner der auch als Kunstschrift-
steller bekannte G. P. Lomazzo, der sich aber nach Gaudenzitfs Tod bei G_. B.
della Cerva weiter ausbildete, hervorgehoben werden. Aus dem Jahr 1527 stammt
sodann eine Anbetung des Kindes, in einer Lunette von S. Maria_ di Loretto, unweit
Varallo, ein Bild, in welchem er sich in der Darstellungsweise Raphaels versucht,
hat. Bedeutendere Aufträge führten ihn 1531 nach Vercelli, wo er von 1532-1535
mit seinem Schüler Lanini in der dortigen Kirche S. Cristoforo eine grosse Anzahl
von Fresken malte. Von ihm selbst rühren aber nur Mariä Geburt, die Verkün-
digung, der Besuch, die Anbetung- der Hirten und die_der Könige, die Kreuzigung
und die Himmelfahrt Mariä, lauter lebensvolle Bilder von grösster Sicherheit der
Darstellung, hie und da freilich etwas derb und auch mauierirt, her. Dann
schmückte er 1535 zu Saronno, unweit Mailand, die Kuppel mit einer Glorie von
Engeln , unter denen manche von hoher Schönheit und Freiheit einen Nachklang der
Kunstweise des Leonardo zeigen, während andere dagegen sehr rnanierirt sind.
Zugleich schimmert aber durch alle diese Fresken unverkennbar der Einfluss des
Cürreggio , dessen IWerke in Parma Ferrari auf seiner Rückreise von Rom studirt
Zll haben scheint. Vom Jahr 1542 an führte er hierauf wieder eine Reihe von
Fresken in der Kirche S. Maria delle Grazie zu Mailand aus, unter denen sich eine
Geisselnng Christi, vom Jahr 1542 , durch die eigenthümliche Gewalt, Grossartigkeit
und Freiheit der Darstellung und eine Kreuzigung Christi durch die wunderschöne
Composition auszeichnen. Der Apostel Paulus in Betrachtungen über die heil. Schrift
mit der Inschrift gau d entius und der Jahrszahl 1543, ein Bild von edlem Charak-
ter und warmer Färbung (jetzt im Louvre zu Paris), stammt ebenfalls aus dieser
Kirche. Während der Künstler an dem Abendmahl arbeitete, das man noch jetzt
in S. Maria della Passione zu Mailand sieht, starb er.
Gaudenzio war einer der fruchtbarsten Maler seiner Zeit. Er hinterliess eine
Menge von Fresken, welche denen des Luini kaum nachsteheu und der jetzigen Fresco-
malerei noch mannigfach als Muster dienen können. Auch seine Oelgemälde zeichnen
sich meist durch Tiefe und Klarheit der Farbe aus. In seinen Werken sind die ver-
schiedenen Richtungen und Einflüsse der grossen Meister seiner Zeit, bei denen er
sich gebildet, oder nach denen er studirt, und deren Darstellungsweise er sich anzu-
eignen bemüht war, nicht zu verkennen; allein es ist ihm dabei zugleich ein ge-
wisser phantastischer Zug eigen, der ihn bestimmt von seinen Zeitgenossen unter-
scheidet, und der oft zu eigenthümlichen Schönheiten Veranlassung gegeben hat,
ihn zuweilen aber auch in's Barocke verfallen liess. Gerade aber diese phantastische
Grillenhaftigkeit und ein ihm angeborener Naturalismus hinderten ihn, das ganz zu
erreichen, wonach er strebte, den grossen Styl, und so wurde, bei aller eminenten.
Meisterschaft und Vielen grandiosen Einzelheiten , seine Manier das Resultatdieses
Kampfes. Er hatte eine sehr reiche Phantasie, die sich nur auf dem Gebiete der
religiösen Kunst bewegte; seine heidnische Vorliebe- für Darstellung des Nackten,
verstösst aber vielfach gegen die kirchliche Malerei, und, wo er sich in die
Empiindungsweise früherer Meister zu versenken suchte, verirrte er sich nicht Selten
in eine manierirte überselige Verzückung. Im Ausdruck des Gewaltigen und Leiden-
schaftlichen besass er eine grosse Kraft, auch wusste er seinen Gestalten und Köpfen
eine ungemeine Lieblichkeit zu verleihen, wenn er gleich an Anmuth und Schönheit
Raphael nicht gleich kommt. Seine Zeichnung ist vortrefflich , in den schwierigsten
Verkürzungen correkt, nur verfällt er auch hier, wenn er sich die Kunstweise der
älteren Meister anzueignen bemüht, hie und da in's Steife und Harte. Seine Kleider
heben etwas Phantastisches und die Zeuge eine schillernde Farbe- E? brachte Seine
Figuren gerne in landschaftliche oder architektonische Umgebung, Welche letztere
er genau nach den Regeln der Perspektive darzustellen wusste, während die erstere
ebenfalls einem gewissen phantastischen Wesen nicht fremd blieb.
fÄIISSQr den bereits angeführten Werken von Ferrari kennt man noch verschiedene
"Cilllßlle Arbeiten von ihm. So sieht man im Museum zu Berlin: eine Verehrung
des Cllrlstuskindes und das Bildniss eines Jünglings; im Museum zu Brüssel: eine