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Gros , Antoine Jean.
leibt werden sollten, auszuwählen, und Gros entledigte sich dieses schwierigen Auf-
trags mit ebensoviel schonender Rücksicht als Zufriedenheit, sowohl von Seiten der
Besiegten, als der Sieger. Er reiste zu diesem Zwecke nach Perugia, Modena,
Bologna und langte im März 1797 in Rom an. Hier verweilte er einige Monate,
worauf er nach Mailand zurückkehrte, wo er Bildnisse malte, die, so klein auch ihr
Format sein mochte, und bei aller Feinheit der Details, doch die ganze breite Manier
de1' grossen Malerei an sich trugen. Während aber Bonaparte in Aegypten Siege
davon trug, unterlagen die französischen WValfen in Italien. Gros war 1799 genöthigt,
mit allen anderen Franzosen, Mailand zu verlassen und unter unsäglichen Beschwer-
den langte er in Genua an. Hier machte er die fürchterliche Vertheidigung dieser
Stadt durch Massena mit und war nahe daran dem Hunger und der Krankheit zu
erliegen, als es ihm gelang, sich auf ein englisches Schilf zu flüchten, auf welchem
er nach Marseille reiste, wo er sich unter liebender Pflege bald wieder erholte. End-
lich langte er nach neunjähriger Abwesenheit 1801 wieder in Paris an. Hier hatte
eben ein Senatsconsult eine Preisbewerbung für die beste Darstellung der Schlacht
bei Nazareth, wo Junot an der Spitze von 500 Mann die 6000 Mann starke türkische
Armee niederwarf, ausgeschrieben. Seine Skizze trug den Preis davon , das Gemälde
kam aber nicht zur Ausführung. Um dieselbe Zeit stellte Gros in Paris auch seinen
Bonaparte auf der Brücke von Arcole aus, der eine allgemeine Bewunderung erregte,
die nur von dem Aufsehen übertroffen wurde, welches 1804 sein „Besuch Bonaparte's
bei den Pestkranken in Jalia" (gest. v. Laugier) machte, ein Bild, das bei allem
Widrigen, ja Eckelhaiten des Gegenstandes, doch in Beziehung auf Composition,
Zeichnung, Leben, Tiefe, Kraft, Klarheit und Meisterschaft der Behandlung immer-
hin grosse Verdienste hat. 1806 folgte diesem Gemälde; die Schlacht bei Abukir,-
und 1808 Napoleon auf dem Schlachtfelde von Eylau (gest. von Vallot, ferner von
Oortman) , Bilder, welche den Ruhm des Meisters vollendeten.
Mit diesen Werken schliesst die erste Periode der Grosschen Künstlerlaufbahn.
Sie sind Zeuge von der consequenten Wärme und Begeisterung des Meisters für seinen
Stoff, von dem ersten Gedanken an bis zum letzten Pinselstrich der Ausführung, über-
raschen durch kühne Lichteffekte und durch die Kraft des Colorits. Er zeigt sich
in ihnen als ein wahrer volksthümlicher, nationaler Maler, dessen Gedanke, dessen
ganze Seele sich in seinen Werken spiegelt, bei deren Vollendung die edlen Leiden-
schaften seiner Jugend, das Pathos seiner Zeit, die fortwährend in einem patrio-
tischen Fieberparoxismus lebte, seine Hand führten. Sie offenbaren das Genie eines
Geschichtsschreibers, verbunden mit der Wahrhaftigkeit und Gewissenbaftigkeit eines
Charakters, der mit allen Empfindungen seiner Seele, mit allen Ueberzeugungen
seines Verstandes, sowie mit dem ganzen Schatz seines Wissens und seiner Geschick-
lichkeit die grossen Begebenheiten und Männer seiner Zeit darstellt.
In seinen späteren Werken bethätigte zwar Gros fortwährend sein schönes
Talent, allein die Begeisterung der Jugend war von ihm gewichen und hatte einer
gewandten diplomatischen Praxis Platz gemacht-. Seine Gemälde erschienen jetzt
nicht mehr als der treue und lebendige Ausdruck des damaligen Volksgeistes und
der Grossthaten seines Helden, sondern als schmeichlerische Personifikationen eines
sieggekrönten Herrschers, als Hofmalereien. Hieher gehören: die Einnahme von
Madrid; Bonaparte bei den Pyramiden (1810); Franz I. und Karl V-. die Gräber von
St. Denis besuchend (1812), gest. v. Forster; Napoleon und Kaiser Franz von
Oesterreich in Mähren.
Die Restauration unterbrach diese Reihe von Arbeiten, die immerhin glänzend
genannt werden können, indem sie ihn nöthigte, sich in einem anderen, ihm fremden
Kreise von Darstellungen zu bewegen. Sein Geist und sein Talent kamen daher
auch in den ihm befohlenen zwei Gemälden: die Abreise Ludwig XVIII. aus den
Tuilerien am 20. März 1813 und die Einschiffung der Herzogin von Angouleme zu
Bordeaux im Jahr 1815, nur unvollständig und gebrochen zur Erscheinung. Man
sieht ihnen an, dass sie nicht aus Liebe, sondern nur auf Bestellung gemacht sind.
Trotz diesem scheinbaren Nachlass seiner schöpferischen Kraft schwang sich GNS