Gossaert.
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Zeuxis und Apelles sahen, und nichts anderes zu thun wussten, als ihn nachzuahmen,
lange Zeit zur herrschenden Richtung. Während aber nun in seinen Werken bei
allem Manierirten und Uebertriebenen doch noch ein Nachklang früherer Tiefe und
jene meisterliche Sorgfalt eines Miniaturmalers vorherrscht, büssten seine Nachahmer
über dem Bestreben, sich die Idealität der Charaktere , die Schönheit der Linien, das
Verständniss der Formen jener Meister anzueignen, jenen den Niederländern inne-
wohnenden reinen Natur- und Farbensinn ein und verfielen in leere Verzerrungen,
Uebertreibungen und Missformen. Ja, selbst bei Mabuse, der doch noch mit grosser
Geschicklichkeit von der Kunstweise der grossen Italiener, von jenen idealen , vollen
und schönen Formen, von den freien, kräftigen und anmuthigen Bewegungen, von
der edlen, von der Zeittracht unabhängigen Anordnung der Gewänder so viel sich
anzueignen wusste, als in seinem Vermögen lag, selbst bei ihm erlangte diese
Richtung, weil alle Kunstvorzüge und Eigenthümlichkeiten Blüthen und Früchte
sind, die sich nur aus der lebendigen Pflanze entwickeln, und sie auch bei ihm
nicht naturwüchsig war, nur ein Scheinleben.
Von der grossen Anzahl der dem Mabuse zugeschriebenen Gemälde scheint in-
dessen ein Theil noch einer Untersuchung zu bedürfen, um Copien auszuscheiden,
Welche, nach van Mander's Zeugniss, von Pauwels van Aelst, einem Sohn
des Pieter Koeck van Aelst zu Antwerpen verfertigt wurden.
Für die besten bekannten Bilder seiner ersten Periode, d. h. vor seiner Reise
nach Italien, hält man: die grosse und reiche Anbetung der Könige, im Besitz des
Grafen Carlisle auf dessen Landsitz im Castle-Howard in Yorkshire (England); eine
andere Darstellung desselben Gegenstandes, im Louvre zu Paris; eine Kreuzigung
und die Goldwägerin, im Berliner Museum; die Flügel eines Altars, im Dom zu Lübeck,
Heilige mit einer Familie Donatoren in reicher schöner Landschaft darstellend; einen
Altar, in dessen Mitte Christus bei Simon, dem Pharisäer, und Magdalena, welche
ihm die Füsse wäscht, nebst mehreren Aposteln, auf dem rechten Flügel die Himmel-
fahrt der Magdalena, auf dem linken die Auferweckung des Lazarus dargestellt ist,
im Museum zu Brüssel; eine Kreuzabnahme und eine Darstellung der Dreieinigkeit
mit den allegorischen Gestalten der Charitas und Pax, in der ehemaligen Sammlung
des verstorbenen Königs von Holland im Haag; den todten Christus, von Maria,
Johannes und drei heiligen Frauen beweint, und den Erzengel Michael, Altariiügel,
in der Pinakothek zu München; Maria in ihrem Schmerz von Johannes und von drei
heiligen Frauen unterstützt, und die gerechten Richter zu Pferd, zwei Bilder, die
wahrscheinlich Fragmente einer Kreuztragung sind, im Museum zu Antwerpen; den
heil. Donatianus, den Schutzpatron von Brügge, ein Rad mit Lichtern haltend, im
städtischen Museum zu Tournay; die thronende Maria mit dem Kinde, von Engeln,
Heiligen und den Donatoren umgeben, im städtischen Museum zu Rouen; Maria mit
dem Kinde unter einem Baldachin, umgeben von Heiligennnd Donatoren , im Besitz
des Hrn. Blundell Weld in London; eine Kreuzabnahme in der Gallerie der Uffizien
zu Florenz. Hieher gehören ferner die (schon erwähnten) Bildnisse der Kinder
König Heinrich's VII. von England und die Porträts König Jakobs IV. von Schottland
und seines Bruders, des Prinzen Alexander, hinter ihnen als Schutzheiliger der heil.
Andreas, im Schloss Hamptoncourt bei London. (Ein zweites Exemplar der drei
Kinder Heinrich VII. in der Bildersammlung des Grafen Pembroke in Wiltüllhouse
ist, nach Waagen's Ürtheil, so gut, dass es wohl eine Wiederholung des Bildes
in Hamptoncourt vom Meister selbst sein kann, obgleich damit die darauf vorkom-
mende Jahrszahl 1495 in Widerspruch kommt, da die Kinder auf beiden Bildern
durchaus in gleichem Alter erscheinen. Eine alte Copie des Gemäldes in der Bilder-
sammlung zu Corshamhouse. Das Porträt der Mutter Heinrichis VII., Margaretha,
ill der Biidersammlung zu Corshamhouse, hält Waagen für ein Bild aus der früheren
Zeit Holbein's.
Unter die bedeutendsten Bilder, welche der Meister waixend oder nach seinem
Aufenthalt in Italien ausgeführt, zählt man; den an der Martersäule sitzenden
Christus , bezeichnet "Joannes Malbodius invenit", eines der ersten Zeit seiner