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Gossaert.
rich VIII.) und Arthur und die Prinzessin Margarethe darstellend. Da der erstere
(geb. 1492) in einem Alter von höchstens sieben Jahren dargestellt ist, so kann das
Bild nicht Wohl später als im Jahr 1499 gemalt sein. Dasselbe zeigt den Künstler
bereits um diese Zeit als einen vollendeten Meister und ist ein Beweis, welches An-
sehen er schon in jungen Jahren nicht nur in der Heimath, sondern selbst in England,
woselbst er sich unter der Regierung Heinrich VII. längere Zeit aufgehalten, g-e-
nossen haben muss. Es ist ferner eine beglaubigte Thatsache, dass Gossaert mit dem
Prälaten Philipp von Burgund (einem natürlichen Sohne des Herzog Philipp? des
Guten), der von Kaiser Maximilian I. als Gesandter an den Papst Julius II. geschickt
wurde, gleichzeitig in Rom war; es muss somit sein dortiger Aufenthalt in die Jahre
1503-1513, als der Regierungszeit dieses Papstes, gefallen sein. Er soll sich
in Italien 10 Jahre verweilt und dort sowohl die Werke der antiken Kunst, als auch
die der damaligen grossen Meister unablässig copirt und studirt haben. Weiter
wissen wir, dass derselbe Philipp von Burgund, welcher im Jahr 1518 Bischof von
Utrecht wurde, den Mabuse mit der Ausführung von Malereien in seinem Schlosse
Suytburg beschäftigte, und dass der Künstler damals so berühmt war, dass J an
Sch oreel zu ihm in die Lehre ging. Bald darauf führte er auch ein grosses Altar-
werk, dessen Hauptbild eine Abnahme vom Kreuz war, im Auftrag des Ahts Maxi-
milian von Burgund für die Abteikirche von Middelburg in Seeland aus, das 1521
schon beendigt gewesen sein muss, da Albr. Dürer es auf seiner Reise in den
Niederlanden im Jahr 1521 bewunderte. Nach dem Tode seines Gönners trat Mabuse
in die Dienste eines Marquis von Veere, bei dem er bis an seinen Tod verblieb,
welch' letzterer, wie die Inschrift auf seinem von J. H. Wierix gestochenen und von
Theodor Galle verlegten Bildnisse lautet, am 1.0ktober des Jahres 1532 zu Ant-
werpen erfolgte, worauf er in der dortigen Kathedrale begraben wurde, eine
Nachricht die, nach Allem was man Authentisches über das Leben des Meisters weiss,
allen Glauben verdient.
Aus diesen wenigen biographischen Notizen erhellt, dass Mabuse, bevor er nach
Italien gegangen, in seinem Vaterlande schon eine beträchtliche Anzahl von Bildern
ausgeführt haben muss. Von diesen sind uns noch verschiedene erhalten , in welchen
er, was Energie , Adel, Feinheit und vielseitige Tiefe der Charaktere betrifft, seinen
niederländischen Zeitgenossen Quintin Messys und Bernhard van Orley nicht
nachsteht. Er zeigt sich in ihnen als fleissiger Betrachter der Natur und als liebens-
würdiger Nachahmer der alten, rein niederländischen Schule. Sie entfalten eine
einsichtsvolle Anordnung, Köpfe von mannigfaltigem Charakter, in denen sich öfters
ein lebhafter Sinn für Schönheit ausspricht, schlanke Verhältnisse mit wohl gezeich-
neten und bewegten Händen (deren Finger übrigens meist etwas lang und mager
sind), weiche und schöne Faltenmotive (in denen indessen bisweilen scharfe Brüche
vorkommen), eine sehr bestimmte und starke Modellirung, welche im Fleisch in den
Schatten von tief bräunlichem, in den Lichtern von warm gelblichern Ton ist, eine
sehr harmonische Zusammenstellung der meist gebrochenen Farben, eine ungemein
iieigsige, strenge und gediegene Durchführung, miniaturartige Vollendung, und einen
zarten Silberton in den entfernteren, auch noch mit höchst feiner Angabe vieler
Einzelnheiten ausgeführten Plänen. Aber selbst schon in manchem dieser früheren
Werke macht sich ein Streben nach freierer Bewegung bemerkbar, das in seinen
späteren, während und nach seinem Aufenthalt in Italien, entstandenen Bildern so
entschieden hervortritt und sich nach und nach über seine ganze Darstellungsweise
erstreckte. In Italien hatte er sich nämlich mit allem Eifer auf die Nachahmung
der damaligen grossen Meister, besonders des Leonardo da Vinci und Michel-
angelo, gelegt, wodurch er sich zur Darstellung von Stoffen gedrängt sah, welche
nackte Gestalten erforderten. So wurde er der erste, welcheT die Art, unbekleidete
Figuren in historischen oder poetischen Darstellungen anzubringen 7 Voll Italien nach
Flandern brachte, und nun gingen nicht nur viele mythologische und allegorische
Bilder unter seinen eigenen Händen hervor, sondern diese Darstellungsweise erhob
sich überhaupt unter seinen landsmännischen Zeitgenossen, welche in ihm einen neuen