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Giotto.
Cruciüx in Tempera auf Holz fertigte, welches man noch wohl erhalten dort sieht,
nach Florenz zurück.
Kaum war er wieder einige Zeit in der Heirnath, als er von König Robert nach
Neapel berufen wurde, um das im Bau eben vollendete Nonnenkloster und die Kirche
St. Chiara mit Fresken zu schmücken. Giotto nahm den Ruf an und begab sich zu
Ende 1326 oder im Anfang des Jahres 1327 über Orvieto, woselbst er die Sculpturen
in Augenschein nahm, mit denen eben die Facade des Doms geschmückt wurde, nach
Neapel. Er malte dort in einigen Kapellen des genannten Klosters viele Darstel-
lungen aus dem alten und neuen Testament, unter denen die aus der Offenbarung
Johannis nach Dante's Angaben ausgeführt sein sollen. Aber sowohl diese Gemälde,
als andere , die er für das Kastell und die Kapelle dell' Uovo fertigte, sind
später überweisst worden; doch wurde im Jahr 1841 ein bedeutendes Frescobild von
ihm im Refektorium jenes Klosters wieder aufgedeckt. Noch grösstentheils sehr gut
erhalten sind seine Malereien in der Kirche S. Maria dell' Incoronata, die er ebenfalls
während seines Aufenthaltes daselbst ausführte. Dieselben beünden sich über dem
Chore. in den Zwickeln eines Kreuzgewölbes, deren jeder zwei Abtheilungen enthält,
und stellen die sieben Sakramente in sieben Bildern dar, denen als achtes die soge-
nannte Fahnenweihe der Königin Johanna, „la Benedizione della Bandiera della
Regina Giovanna", eine allegorisch mystische Darstellung der Kirche beigefügt ist.
Im Sakrament der Ehe soll die Vermählung der Königin Johanna dargestellt sein,
wie Giotto es überhaupt liebte, Bildnisse berühmter Persönlichkeiten seiner Zeit auf
seinen Gemälden anzubringen.
Als Giotto Neapel verliess, um nach Rom zu gehen, hielt er sich einige Zeit
in Gaeta auf, wo er in der Nunziata einige Darstellungen aus dem neuen Testamente
malte. Von Rom begab er sich nach Rimini, um daselbst für Malatesta, den Gebieter
der Stadt, mehrere Malereien auszuführen, und von da nach Ravenna, wo er eben-
falls verschiedene Werke seiner Hand hinterliess. Hier sieht man noch von ihm
Frescomalereien an dem Gewölbe einer Kapelle der Kirche St. Johannis, des Täufer-s,
und in einem kleinen Chor des Klosters S. Chiara, sowie in der Hauptkapelle und in
dem Presbyterium von S Maria in Porto vor der Stadt.
Hochgeehrt kehrte Giotto nach Beendigung dieser Arbeiten nach Florenz zurück,
um hier seinen Ruhm durch weitere Werke, zu erhöhen. Er malte für S. Marco auf
Holz ein Cruciiix von kolossaler Grösse in Tempera auf Goldgrund , und ein ähnliches
für S. Maria Novella, zwei ganz vortreffliche Bilder, an welchen ihm sein Schüler
Puccio Capanna half, und welche noch wohl erhalten sind. Ein ebenfalls für
letztere Kirche gemalter heil. Ludwig scheint nicht mehr vorhanden zu sein. Um
dieselbe Zeit machte er die Zeichnungen und das Modell zu dem prachtvollen Grab-
male des Bischofs Guido Tarlati von Arezzo, nach denen dasselbe von Agostlllß
und Angelo aus Siena ausgeführt wurde. Ausserdem war er für Florenz Selbst
noch vielfach thätig. So malte er für die Frati Umiliati von Ognissanti eine Kapelle
und vier Bilder. die aber nicht mehr erhalten sind, und ein seiner Zeit Sehr be-
wundertes mit unendlichem Fleisse gemaltes Temperabild, den Tod der Maria dar-
stellend.
Nachdem Giotto diese Arbeiten beendigt, begann er 1334 den Bau deS Glocken-
thurms von S. Maria del Fiore, nach seinem Modell, auch zeichnete er alle histori-
schen Darstellungen , die zu der sehr eleganten und geschmackvollen in den Formen
des germanischen Styls durchgeführten Dekoration desselben gehören. Mehrere
derselben man nennt die Darstellungen aus der Schöpfungsgeschichte soll er
selbst modellirt haben. Diese Sculpturen bilden einen grossartig umfassenden Cyklus,
dessen gemeinsamer Gedanke als die "Entwicklungsgeschichte menschlicher Bildung"
bezeichnet werden kann. Man sieht darauf in einer Sehr bedeutenden Reihenfolge
von Reliefs dargestellt, zu unterst; die Erschaffung und das Leben der ersten Men-
schen: Sodann den Kampf mit der Natur und (in-ICH Bewältigung; das Gemach des
häuslichen Lebens und das Streben in die Ferne; hierauf uie höheren Künste und
Wissenschaften, denen sich schliesslich als das Ziel menschlichen Strebens die Tugen-