Giordano.
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111 Neapel, eine äusserst reiche Composition, welche diesen Heiligen i_n dem Augen-
blicke darstellt, Wie er die Japanesen tauft, ohne vorher einen Entwurf davon gemacht-
zu haben, in zwei Tagen, die Geschichten der Judith und der ehernen Schlange im
Gewölbe des Tesoro zu S. Martino in 48 Stunden, und das Altarbild in Rosariello delle
Pigne in einer Nacht gemalt habe.
Der Ruhm, den Giordano sich durch alle diese Arbeiten erwarb, stieg immer
höher, verbreitete sich immer weiter und veranlasste König Karl II. von Spanien,
der in den Besitz einiger seiner Gemälde gekommen war, und von der unglaublichen
Schnelligkeit seines künstlerischen Schafens gehört hatte, ihn unter sehr einladenden
Bedingungen an seinen Hof zu berufen , um ihm die Fortsetzung und Vollendung der
begonnenen Fresken in der Klosterkirche des Escorial zu übertragen. Giordano
folgte dem Rufe und reiste 1692 in,Gesellschaft seines Sohnes, seines Eidams, seiner
zwei Schüler, Aniello Rossi und Matteo Pacelli, eines Farbenreibers, eines
treuen Dieners und seines Beichtvaters, dahin ab. Als er auf spanischem Boden
angekommen war, harrten seiner die grössten Ehrenbezeugungen. Er wurde, gleich
einem Fürsten, als er sich der Residenz näherte, in sechs sechsspännigen Hofwä-gen
von den Adjutanten des Königs und anderen angesehenen Grossen abgeholt und von
jenem selbst mit offenen Armen empfangen. Giordano wusste sich auch gleich in
der Gunst des Königs festzusetzen; denn als dieser dem Künstler bald nach seiner
Ankunft ein Bild von Bassano zeigt-e und den Wunsch äusserte, ein Seitenst-ück
dazu zu besitzen , malte Luca in ganz kurzer Zeit ein Gemälde im Geschmack jenes
Meisters so täuschend , dass selbst Kenner durch dasselbe hintergangen wurden, und
Karl II. in ein wahres Entzücken darüber gerieth. Bei dem grossen Glücke, das
Giordano an dem Hofe zu Madrid machte, konnte es ihm auf die Länge an Neidern
und Feinden nicht fehlen. Diese fanden sich zuerst natürlich unter den spanischen
Malern und namentlich sagt man dem Claudio Coello nach, dass er dem König
zu verstehen gegeben, Giordano sei kein selbstständiger Künstler, sondern schöpfe
seine Ideen aus einer grossen Menge von Skizzen, die er nach den berühmtesten
italienischen Meistern gefertigt. Um sich von der Wahrheit dieser Behauptung zu
überzeugen, besuchte Karl II. den Künstler mit einem grossen Gefolge und ersuchte
ihn, in seiner Gegenwart ein Bild zu malen, das den heil. Michael darstellen sollte,
wie er den Lucifer bekämpft. Luca setzte sich an die Arbeit, entwarf seine Compo-
sition in flüchtigen Umrissen und vertheilte mit dem Pinsel Licht und Schatten in
grossen Massen. Der König, der bereits drei Stunden zugesehen und nichts ent-
stehen sah, begab sich unzufrieden in ein Nebenzimmer, in welchem sich Coello
befand, der, als er Karls Unzufriedenheit wahrnahm, einige Worte über den
unverdienten Ruf und die Prahlerei gewisser Künstler fallen liess. Giordano, der
nunmehr die Falle merkte, gab jetzt mit eilendem Pinsel seinen Figuren die nöthige
Rundung, dass sie lebendig aus der Leinwand traten, und vereinigte alle Theile Zu
einer glücklichen Harmonie , so dass Karl II., als er wieder in den Saal trat, bereits
den Engel, Lucifer und einige Dämonen fertig sah. Die Folge dieses Vorfalls War
natürlich die, dass Luca in der Gunst des Königs nur noch höher stieg. Er 611131111118
ihn zum Ritter vom goldenen Schlüssel, und überreichte ihm selbst den Degen; auch
erhöhte er seinen monatlichen Gehalt (neben freier Wohnung, Equipage, Diener-
schaft u. s. W.) von 120 auf 200 Pistolen. Das erwähnte Bild befindet sich noch in
der Kirche v_on Buenretiro, nebst einem anderen Gemälde des Meisters, das der
König nachher als Gegenstück zu jenem malen liess, und auf dem der heil. Antonius
von Padllß, der den Fischen predigt, zum Gegenstand der Darstellung gemacht wurde.
Giordano begab sich hierauf nach dem Escm-ial und begann die Malereien
der grossen Treppe. Er stellte dort auf drei Seiten des Frieses die Schlacht bei
S- Qulllfiu und auf der vierten die Grundsteinlegung des Gebäudes selbst dar. An das
Gewölbe malte er die heil. Dreifaltigkeit mit vielen Engeln und Heiligen, unter welch'
letzteren er die Bildnisse des Kaiser Karl V. und Philipp II. anbrachte. Die anderen
durch die Architektur sich ergebenden kleineren Räume der Decke schmückte er
1111i den Haupttugenden in allegorischen Gestalten. Darauf begann er mit der Aus-