Volltext: F - L (Bd. 2)

Giordano. 
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Giordano, Luca, genannt Fa presto," der fruchtbarste Maler, der je gelebt, geb. 
1632 zu Neapel, gest. 1705 daselbst, war der Sohn eines mittelmässigen Malers, des 
Antonio Giordano, der die grosse Begabung schon in dem Kinde erkannt hatte, und 
ihm desshalb von seinem fünften Jahre an den ersten Unterricht in der Malerei ertheilte, 
in welcher Luca so rasche Fortschritte machte, dass er bereits in seinem achten Jahre 
den Vater in der Kunst überflügelt hatte. Denn als dem letzteren einst  es'war 
im Jahr 1640  zwei, unter der Orgel der Kapelle S. Maria degli Osservanti zu 
Neapel al fresco an die Wand zu malende Engel bestellt wurden, und Antonio, nach- 
dem er bereits die nöthigen Vorbereitungen in der Kirche getroffen hatte, sich, als er 
an die Ausführung gehen wollte, doch der Aufgabe nicht gewachsen fühlte, sich daher 
rasch nach einem anderen Maler umsah, der dieArbeit für ihn übernähme, machte 
sich in seiner Abwesenheit der kleine Luca an's Werk, und hatte, bis der Vater 
zurückgekehrt War, schon einen der beiden Kinderengel so schön an die Wand gemalt, 
dass Weder dieser noch die mit ihm herbeigekommenen Hilfsmaler sich zu dem Glauben 
bewegen liessen, das Bild, das sie vor sich haben, sei eine Knabenarbeit. Erst als 
Luca vor ihren Augen auch den zweiten Engel, beinahe noch schöner als den ersten, 
zu Stande gebracht, überzeugten sich Alle von der Wahrheit und dem eminenten 
Talente des Knaben. Die Kunde von diesem Vorfall erfüllte bald die ganze Stadt 
und drang auch zu den Ohren des Vicekönigs, der sich sofort selbst an Ort und Stelle 
begab, sich mit eigenen Augenivon dem Werke des achtjährigen Knaben zu über- 
zeugen. Erstaunt über die ausserordentlichen Anlagen des Kindes, überhäufte er 
den kleinen Maler mit Liebkosungen, machte ihm ein ansehnliches Geschenk und 
versetzte ihn in die Lage, fortan bei Ribera, der damals der erste Meister in Neapel 
war, seine Studien weiter fortsetzen, sich vollends ausbilden zu können. Neun Jahre 
lang arbeitete Luca unter der Leitung Riberafs und lernte während dieser Zeit den 
Styl seines Lehrers so getreu nachahmen, dass man, wie seine damaligen Bilder im 
Collegio de' Gesuiti beweisen , seine Werke von denen des Meisters oft kaum unter- 
scheiden konnte. Die Begierde aber, es in der Kunst noch weiter zu bringen und 
namentlich sich nach den unübertreflichen Meisterwerken Roms zu bilden, liess ihm 
von nun an keine Ruhe mehr, so dass er, da sein Vater, der von den Einkünften des 
Sohnes lebte, die Reise dahin nicht zugeben wollte, weil er dann das Aufhören einer 
beträchtlichen Einnahmenquelle befürchtete, dem väterlichen Hause entiloh und sich 
nach der ewigen Stadt begab. Als er sich hier von dem ersten niederdrückenden 
Erstaunen über die Grösse der Werke Michelangelds, RaphaePs u. s. w. erholt 
und frischen Muth gefasst hatte, beschloss er einige der schönsten dieser Arbeiten 
Behufs tieferen Studiums zu copiren. Diess geschah denn auch mit grossern Eifer, 
ja er machte von mehreren Werken und sogar von den grössten, von den Logen 
Raphaels, von der Constantinsschlacht, von Michelangelds Deckengemälden in 
der Sixtina. wiederholte Copieen. Leider erlitten diese Studien eine Beeinträchtigung 
durch seinen Vater, der ihm nach Rom nachgereist war, und ihn, da er von den Ein- 
künften des Sohnes leben musste und auch wohl davon leben wollte, bei seinen Ar- 
beiten beständig zur Eile antrieb, mit den Worten: Luca, fa prest-o! (liißßh rasch!) 
ein Beinamen, der ihm, weil für sein ganzes künstlerisches Schaffen bezeichnend, für 
alle Zeiten blieb  
Unter den zahllosen, damals in Rom arbeitenden Malern konnte und musste keiner 
einen gröSSeTeIl Eindruck auf den raschen und lebhaften Geist unseres Jünglings 
machen, als Pietro da Cortona, der Vater einer grossen Schule und der Schöpfer 
eines neuen, allgemein geschätzten Styls. An ihn, der einen ihm völlig analogen 
Geschmack und feurigen Geist entfaltete, schloss sich daher auch Luca innig an; er 
half ihm auch drei Jahre lang bei fast allen seinen grossen Arbeiten. Aber selbst die 
Bildung, Welche Giordano in der Schule des Cortona empiieng, genügte seinem rast- 
108611 Streben nach immer weiterer Vervollkommnung nicht; er wollte sich auch mit 
den grossen Vorbildern der lombardischen und venetianischen Schule bekannt machen 
und begab sich desshalb nach der Lombardei, dort die Werke Correggids, Tizian's 
und Paolo Veronese's zu studiren. Er reiste mit seinem Vater nach Bologna,
	        
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