Volltext: F - L (Bd. 2)

Ghirlandajo, Domenico oel. 
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sitzende Maria hält das segnende Kind auf dem Schoosse, umgeben von den h. h. 
Paulus und Clara und Franciscus und der heil. Katharina; das Bildniss einer jungen 
iiorentinischen Dame und das Porträt eines älteren Mannes; endlich ein mit seinem 
Schüler Granacci ausgeführtes Bild: Maria in der Herrlichkeit von fünf Cherubim 
umgeben, unten die h. h. Franciscus, Johannes , der Evangelist, der heil. Hieronymus 
und Johannes, der Täufer. In der Pinakothek zu München zeigt man: den im 
Schoosse Mariens ruhenden Leichnam des Herrn; ein Altargemalde, in der Mitte: 
die heil. Jungfrau, von den h. h. Domenicus und Johannes, dem Evangelisten, ange- 
rufen , erscheint dem Erzengel Michael und dem heil. Johannes, dem Täufer, auf den 
beiden Seitenbildern: die heil. Katharina von Siena und den heil. Laurentius. In 
London verwahrt Hr. Young Ottley: eine Maria mit dem Kinde, dabei ein ver- 
ehrender Jüngling, ein köstliches Bild des Meisters, auf dem mütterliche und kind- 
liche Freude mit hinreissender Unschuld und Wahrheit dargestellt ist. Auch das 
britische Museum daselbst besitzt ein vortrelfliches Bildniss von Domenico Ghirlan- 
dajo: das Porträt einer jungen Florentinerin, überaus wahr und lieblich mit dem 
Pinsel gezeichnet. 
Schüler von Domenico Ghirlandajo warenziDavide und Benedetto Ghirlan- 
dajo, seine Brüder; Bastiano Mainardi aus S. Gimignano; Michelangelo 
Buonarotti; Francesco Granacci; Niccolö Cieco; Jacopo del Tedesco; 
Jacopo del lndaco und Baldino Baldinelli.  Sein Sohn Ridolfo Ghir- 
landajo war bei seinem Tode erst 16. Jahre alt. 
In Domenico Ghirlandajds Werken erreichte die künstlerische Richtung der 
Zeit, der Naturalismus der Florentiner im I5. Jahrhundert, ihre schönste Ausbildung, 
insoferne er die schöne Form, die Erscheinungen der Natur nicht mehr nur allein 
um ihrer selbstwillen auffasste, sondern als Ausdruck grossartiger und bedeutsamer 
Lebensverhältnisse. Er wusste die Elemente der Schönheit, die in so reichem Maasse 
das Leben der damals in ihrer schönsten Blüthe stehenden ilorentinischen Republik 
durchzogen, mit begeisterter Vaterlandsliebe in seine Kunst zu übertragen, wodurch 
er dieser einerseits eine ebenso grosse Wirksamkeit als ein früher nie dagewesenes 
allgemeines Verständniss eröffnete, anderseits Leben und Wirklichkeit selbst durch 
ihre Erhebung in künstlerische Verklärung adelte. Wir sehen desshalb auch das 
Bildniss in der weitesten Bedeutung des Wortes eine grosse Rolle in seinen Kunst- 
leistungen spielen. Er bildete das schon von früheren Meistern angewandte Motiv: 
Bildnissiiguren mitlebender Landsleute in kirchlich historischen Darstellungen anzu- 
bringen, Zuerst Vollständig und consequent durch, indem er die heilige Handlung, 
selbst im Kreise seiner Zeitgenossen, ruhigen aufmerksamen Zuschauern oder Zeugen, 
in der Tracht ihrer Zeit mit würdigen Köpfen, in edel abgemessener Haltung sich 
ereignen lässt, wobei letztere nicht selten sogar den bedeut-endsten Raum im Gemälde 
einnehmen, und durch die rhythmische Anordnung der in bestimmter symmetrischer 
Weise von einander gesonderten Gruppen dem Ganzen eine eigenthümliche Feierlich- 
keit verleihen. Oft bildet sogar gerade diese Verherrlichung des häuslichen und 
bürgerlichen Lebens von Florenz, das uns aus allen Einzelheiten, aus den würde- 
vollen Gestalten der Männer, aus den Gruppen schöner, gesitteter Weiber, aus der 
ganzen Umgebung, aus der reichen städtischen Architektur und Landschaft entgegen- 
tritt, selbst den Haupt- und Grundgedanken der Bilder, und die naive Unbefangen- 
heit, mit der diess geschieht, hat durchaus nichts Störendes, erhöht vielmehr den 
Reiz der malerischen Behandlung. Die Gestalten der Heiligen bleiben in ihrer be- 
kannten idealen Gewandung, die anderen dagegen erscheinen in dem höchst male- 
rischem Costüm der Zeit: Die Charakteristik ist eine wunderbar sprechende, jede 
einzelne Figur scheint den ganzen Inbegriß ihrer Zeit darzustellen. Die Köpfe sind 
voll Ausdruck und innern Lebens, so dass man aus jedem zu errathen glaubt, was 
dieser oder jener Mensch in diesem Augenblicke denkt und empfindet; die feinsten 
Regungen des Geistes und Gemüths schweben auf allen Zügeu und diese sprechenden 
Physiognomien sind alle bedeutend. Haltung und Geberde sind ebenso durch Grazie 
und Anmuth als durch wohlthuende Ruhe und Gemessenheit bestimmt; sie machen
	        
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