Ghiberti , Tommaso
Ghiberti, Vettorio, der ältere.
197
nur interessant ist, dass wir durch sie die jetzt ganz unbrauchbaren Vorstellungen
jener Zeit über diese Gegenstände kennen lernen. Den Schluss des Werks bildet
ein ebenfalls durchaus unbrauchbares Fragment über die Proportionen des mensch-
lichen Körpers. In derselben Bibliothek zeigt man noch ein anderes Manuscript,
das aber ebenfalls nichts von Ghiberti eigenhändig Geschriebenes enthält, sondern
gleichfalls eine Abschrift ist. Es führt die Ueberschrift: Ghiberti Opera d'Archi-
tetta-Autogn, und enthält- skizzenhaft hingeworfene Beobachtungen, Vorschriften
über Architektur und viele mehr oder minder ausgeführte Zeichnungen.
Ghibertfs Werke bezeichnen auf eine sehr entschiedene Weise den Uebergang
aus der älteren Richtung des germanischen Styls in die moderne Kunst. Merkwürdig
durchdringt sich in ihnen der Geist des 14. und der des 15. Jahrhunderts mit einem
Zuge freiester Schönheit, wie solche im 16. Jahrhundert zur Blüthe kam. Dabei
erscheinen sie durchweg voll des höchsten Lebensgefühls, gleich denen des Dona-
tello, nur noch wahrer, naiver und schöner. Seine früheren Arbeiten haben, was
die Hauptmotive der künstlerischen Anlage betrifft, noch wesentlich das Gepräge
des germanischen Styls, jedoch zeigt sich in ihnen bereits eine grössere Formenfülle
und ein Streben nach freierer Entwicklung und Bewegung. In seinen späteren
Werken erscheint zwar dieses Gepräge auch nicht völlig verwischt, allein die be-
fangene germanische Bildung der früheren Zeit machte nicht einem ebenfalls be-
fangenen Realismus, wie in denen der meisten seiner Zeitgenossen, sondern einem
Idealismus voll Adel und Würde Platz, und der Einüuss der Antike bildete mit dem,
dem Meister eigenen Schönheitssinn die ursprüngliche Richtung mit allen überwälti-
genden Reizen der Einzelnform um. Aber nicht nur in der Form an sich, auch in
der Composition, und in dieser noch mehr als in jener, macht sich in ihnen das
moderne Element geltend, spricht das neue Jahrhundert, insoferne Ghiberti das
Relief von der blos andeutenden, durch Weniges das Ganze repräsentirenden Dar-
stellungsweise befreien wollte und auf eine vollständige, iigurenreiche, malerische
Anordnung und Wirkung hinstrebte. Ja, er, geht in diesem Streben so weit, dass
selbst in der Behandlung die eigenthümliche Anmuth und Weichheit, welche er so-
wohl über seine nackten als seine gewandeten Gestalten auszugiessen wusste, mehr
als das Resultat des Effekts der Beleuchtung der Form, als dieser selbst erscheint.
Dadurch und durch die allen Gesetzen des plastischen Styls widerstreitende Ein-
führung der von ihm mit bewundernswürdiger Geschicklichkeit gehandhabten Linien-
perspektive in das Relief musste nun allerdings ein Zwitterwesen entstehen, das
weder nach der einen, noch nach der anderen Seite einen beruhigenden Eindruck
hervorbringen konnte. Auch hat diese Neuerung für die spätere Zeit manche üble
Folge hinterlassen. Ghiberti wusste aber dem unausbleiblichen Widerspruch der
Darstellung mit so viel Geschmack und feinem Sinne zu begegnen, dass derselbe
über der Vollendung des Dargestellten fast vergessen wird, wenigstens nirgends
auf empfindliche Weise wirkt oder stört, wusste überhaupt, namentlich in seinen
späteren Werken, einen S0 hohen Adel, eine so zarte Anmuth zu entfalten, dass
er jedenfalls zu den anziehendsten und liebenswürdigsten Meistern der gesammtßll
modernen Kunst zu zählen ist.
Literatur. Vasari, Leben der ausgezeichnetsten Maler, Bildhauer und Baumeister. Cißoßßalßr
Storia della Scultura. C. F. v. Rumohr, Italienische Forschungen. Kuglen, Handbilßh denKunst:
geschichte. Burckhardt, Der Cicerone Dr. Giov. Gaye, Carteggio inedito därtisti der secolr
XIV , XV., XVI. Firenze, 1839-1840.
lupferworke. Lasinio, Le tre porte del Battisterio di Firenze. Fir. 1823. Monumenti sePolclal-l di-
Firenze. Die drei Thüren des BaPtisteriums zu Florenz. Gez. von Feodor lwanowitsch. Rom.
Herausgegeben von H. Keller 1798. L9 tre porte de! Battisterio di Firenze, incise ed illustrate
da Benvenuti. Firenze, 1821. Bassurilievi delle porte di S. Giovanni di Firenze. 11 Blätter, gest.
von Calendi. 1802. F. Gregori und Th. Putsch, Die Thüren von Ghiberti von St. Johann z!
Florenz. 1772-1774,
Ghiberti, Tommago, Bildhauer und Erzgiesser, der ältere Sohn des Lorenzo
Ghiberti, geb. zu Florenz 1417 , half seinem Vater bei seinen Arbeiten, besonders
bei seiner zweiten Bronzethüre für das Baptisterium zu Florenz.
Ghibefti, VGÜJOIiO, der ältere, Bildhauer und Erzgiesser, der jüngere Sohn
des Lorenzo Ghiberti, geb. 1419 zu Florenz und 1496 noch am Leben, half