Genga, Bartolommeo.
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Bacchus und die Musen, nach der Musik des Comus tanzend, blieb Skizze. Seit
dem Jahre 1836 hat der Künstler München zu seinem Wohnsitz erwählt, wo er
seit dieser Zeit in seiner höchst eigenthümlichen Weise unermüdlich schöpferisch
thätig blieb.
Es würde uns hier zu weit führen , wollten wir die unendlich vielen Erzeugnisse
seines Geistes und seiner Hand auch nur annähernd namentlich anführen. Es genüge
daher, wenn wir nur der bedeutendsten gedenken. Diese sind: Tiger mit ihren
Jungen im Walde unter Bäumen ruhend, dazwischen spielende Liebesgötter, eine
Dryas schaut dem wunderbaren Spiele lauschend zu; Bacchus mit Ganymed und
Hebe; der Triumphzug des Bacchus und der Ariadne; Herkules, die Leier spielend;
der Knabe Herkules an der Brust der Juno; Rahel am Brunnen; Elieser und Re-
becca; die Vision des Ezechiel; der Untergang von Sodom; Jason und Medea rauben
das goldene Vliess; das Leben eines Wüstlings in 18 Blättern; Umrisse zu Homer
in 48 Blättern; das Leben einer Hexe in 10 Blättern; Umrisse zu Dante's göttlicher
Komödie; Aesop, der, auf einem Brunnen sitzend, dem Volke seine Fabeln erzählt;
der Kampf des Lykurg mit Bacchus; Homer trägt den Griechen seine Gesänge vor; f
Eros , das Kind der Nacht, durch seinen Gesang die vier Elemente vereinigend; eine
Centaurenfamilie; der schlafende Amor; Sisyphus, den Jüngling mit der Fackel
überwältigend; der Schlafgott kommt zu den Grazien, deren eine Pasithea, seine
Gemahlin ist.
Genelli gehört zu den genialsten, gedankenreichsten Künstlern der Gegenwart.
Voll des feurigsten Schöpfungsdranges spricht seine ungemein fruchtbare Phantasie
eine Fülle von Ideen aus, die ihm aus den klassischen Stolfen der verschiedenen
Zeiten zuströmen. Tiefe ergreifende Gewalt des Pathos, überraschende Grossheit
und Majestät, und dabei eine wahrhaft antike Anmut-h und Schönheit, jene Grazie
des Schicklichen, die den Alten in so hohem Grade eigen war, tritt uns aus seinen
Bildern, für die ihm die einfachsten Mittel der Zeichnung genügen, seien die be-
handelten Stoffe alten oder neuen Dichtern entnommen, oder seien es seine eigenen
Dichtungen , entgegen. Bei solcher Fülle der Gaben eines Künstlergeistes, der nur
gewöhnt ist, die erhabenste und freieste Sprache der Kunst zu sprechen, wird man
jene Eigenheiten kaum Mängel heissen können, die den ungebändigten Genius im
Sturm und in der Lust der Begeisterung hin und wieder in den Motiven und in der
Zeichnung in's Uebertriebene und Unmögliche verfallen , die Grenzen der Schönheits-
linie überschreiten lassen.
Genga, Bartolommeo, Maler, Bildhauer und Baumeister, der Sohn des Giro-
lamo Genga, geb. 1518 zu Oesena, gest. 1558 zu Malta, erlernte die Anfangs-
gründe der Kunst bei seinem Vater, kam aber schon 1538 nach Florenz, wo er
fieissig studirte und sich des Raths und der Freundschaft Giorgio Vasari's und
B. Ammanati zu erfreuen hatte. Später ging er nach Rom, woselbst er Sich
besonders dem Studium der antiken und neueren Baukunst widmete. Nach längerer
Abwesenheit nach Urbino zurückgekehrt, ernannte ihn der Herzog nach seines Vaters
Tode zum Aufseher alle? SßäbßtSbauten und sandte ihn nach Pesaro, dort die VOII
jenem begonnene Kirche S. Giov. Battista nach dessen Modell zu vollßndell- E?
folgte dem Befehl, vollendete ausser derselben auch noch den herzoglichen Palast
und machte ein Modell für den Seehafen von Pesaro, das die unbedingteste Bewun-
derung aller Sachverständigen erregte, aber nicht zur Ausführung kam. Dagegen
Wurden die Kirchen von Monte Abbate und S. Piero in Mondavio nach seinen Zeich-
nungen von Don Pier Antonio Genga vollendet. Nachdem Papst Jlllills IH- Zllm
Papst erwählt worden war, ging Genga mit dem Herzog von Urbino, der oberster
Feldhauptmann der Kirche geworden war, nach Rom, woselbst er für ersteren
Pläne zur Befestigung von Borgo entwarf. Durch diese Arbeiten verbreitete sich
sein Ruhm immer weiter. Er wurde von den Genuesen zur Herstellung und Eywei-
terung ihrer Festungswerke eingeladen, und auch nach Böhmen erhielt er einen
Ruf als Festungsbaumeister. Der Herzog willigte jedoch nicht in seine Abreise,
' Abgebildet in den Denkmälern der Kunst. Atlas zu Kuglers Handb. der Kunstgesch. 123.125, Fig. 3.
Müller, Künstler-Lexikon. II. 12