Fabriano , Gentile da.
Gentile- lässt sich unter seinen Zeitgenossen am meisten dem Fra Giovanni
da. Fiesole vergleichen. Beide waren hochbegabte Naturen, beide voll des innigsten,
liebenswürdigsten Gemüths, beide wussten über ihre Gestalten eine hohe, unver-
gleichliche Anmuth, die süsseste Holdseligkeit auszugiessen; Gentile aber hat auf
der einen Seite nicht die religiöse Hingebung des Fiesole, dagegen übertrilft er
diesen Künstler auf der andern durch eine unbefangenere Auffassung des Lebens,
hält er naiver an der Körperlichkeit (der darzustellenden Gegenstände fest, wodurch
er oft den Sinn des Beschauers selbst mehr befriedigt, als dieser sein grosser Zeit-
genosse. Charakteristisch für Fabriano ist ein Ausspruch Michelangelo's , der bei
Betrachtung eines Erescobildes des Meisters in S. Maria. Nuova zu Rom gesagt haben
soll: Gentile's Bilder seien wie sein Name, d. h. edel, anmuthig, heiter, lebhaft,
niedlich, lauter Begriffe, welche das italienische Wort: gentile in sich vereinigt. Es
gibt aber auch in der That wenige Gemälde, die einen so übermächtigen Duft von Poesie
um sich verbreiten, wie seine Werke: eine Wunderbare Frühlingslust oifenbart sich
in ihnen, eine unaussprechliche Heiterkeit, die durch keinen Zweifel, keine Bangig-
keit der Seele getrübt wird, verbunden mit einer kindlichen Freude an Pracht und
goldenem Schmucke, den er in grösstem Reichthum anwandte, ohne das Auge durch
Ueberladung zu verwirren. Zu beachten bleibt ferner, dass von ihm bereits land-
schaftliche Darstellungen erwähnt werden, und es wird namentlich ein von ihm zu
Venedig gemaltes Bild genannt, welches einen Sturm darstellte, der Bäume und
andere Dinge in seinen Wirbel hineinreisst.
So gross indessen der Einfluss war, den Gentile da Fabriano, ausser seiner eigen-
thümlich anziehenden Kunstweise, auch vermöge der verschiedenen Orte seiner Wirk-
samkeit auf die Kunst seiner Zeit weit über die Grenzen seiner Heimath hinaus aus-
übte, so wenig ist leider von den zahlreichen Werken, die er in der Umgegend seiner
Vaterstadt, in Rom und Venedig ausgeführt, mehr vorhanden. Gleichwohl genügt
dieses Wenige zur Würdigung seines Talentes, ja selbst zur Erkenntniss gewisser
Stylverschiedenheiten zwischen seinen früheren Werken und den späteren. Nachdem
er in seiner Vaterstadt von seinem Lehrer, dem genannten Alegretto di Nuzio,
die erste Unterweisung in der Kunst empfangen, auch wohl bei jenen Miniaturmalern,
deren sich zu jener Zeit viele und darunter bedeutende Meister in dem benachbarten
Gubbio aufhielten, Unterricht genossen haben mochte, begab er sich nach Florenz,
woselbst wir ihn 1421 in der Liste der Maler eingetragen ünden, und er in ein
näheres Verhältniss zu Fiesole, der in jener Stadt bereits mit höchstem Ruhme
genannt wurde, getreten, auch eine Schule gebildet zu haben scheint; wenigstens
nennt ein Dokument, in welchem von Jacop o Bellini die Rede ist, d. d. Florenz,
28. Nov. 1424 jenen: Jacopo da. Venezia, olim famulo magistri Genti-
lini, pittoris de Fabriano. Zu Florenz führte er denn auch eines seiner
Hauptwerke, die Anbetung. der Könige, mit der Bezeichnung: OPUS. GENTILIS.
DE. FABRIANO. MCCCC. XX. III. MENSIS. MAIJ., für die Sakristei von S. Trinitä.
daselbst (jetzt vollkommen gut erhalten in der Gallerie der dortigen Akademie), aus,
eine der vorzüglichsten Darstellungen dieses Gegenstandes, voll von jener naiven
Poesie, womit die Anschauung des Mittelalters diesen Vorgang zu bekleiden piiegte
und von den edelsten und anmuthigsten Formen. Zwar bemerkt man im Einzelnen
in den Linien der Falten, im Schnitte der Augen u. s. w. noch Erinnerungen an den
Styl der Giottisten, dabei aber entwickelt sich bereits die amnlltlligst freie Individua-
lität- In einem Manne unter der Volksmenge mit einem Hut auf dem Kopfe ver-
mllßhet man das Bildniss des Malers. Die Predella des Bildes bestand aus drei Ab-
theilungen , von denen aber nur die beiden ersten noch mit der Haupttafel verbunden
81m1; sie stellen die Geburt Christi und die Flucht nach Aegypten dar. Die dritte:
die Darstellung im Tempel, bewahrt man im Louvre zu Paris. Eine der ersten
Arbeiten, Welche hierauf den Ruhm des Meisters weiter förderten, war jenes herrliche
Frescobild der heil. Jungfrau, genannt "Madonna de' Raccommandati", welches
61' im 1301118 von Orvieto malte, und das schon zu seiner Zeit allgemeine Bewunde-
wng gefunden haben muss, wie aus den öffentlichen Registern hervorgeht, in welchen