Volltext: A - E (Bd. 1)

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Eyek, Hubrecht und Jan van. 
Grases, in den zierlichen Baumgruppen und farbigen Blumen den einseitigen Eindruck 
von Symmetrie nicht aufkommen lassen. Die Flügelgemälde zur Rechten des unteren 
Mittelbildes: die heil. Pilger, unter denen der heil. Christoph den Vortritt führt, 
und die heil. Einsiedler, ein höchst merkwürdiges Bild von anziehenden Gruppen 
mit höchst charaktervollen Köpfen, das uns tief in die Geheimnisse des Menschen- 
herzens hineinzieht und jeder Zeit den ersten Werken der Kunst wird beigezählt 
werden dürfen, haben in der Behandlungsweise mehr von der Art des Hubert, von 
jener weicheren,_ mehr dem Gefühl als dem Verstande folgenden Technik; die Aus- 
führung des ersteren Gemäldes dagegen dürfte von einem Schüler des Hubert her- 
rühren, der das Streben des Meisters nach Charakteristik fast bis zur Karrikatur über- 
trieb. Die .beiden anderen Flügelbilder zur Linken des Hauptgemäldes, bestimmt, 
klar und höchst sauber in der Ausbildung des Einzelnen von Jan van Eyck aus- 
geführt, fesseln durch den gemeinsamen Ausdruck ruhiger Seelenstimmung, sowie 
durch die kunstreiche Darstellung irdischer Pracht und Glanzes. Das erste zunächst 
dem Mittelbilde stellt die Streiter Christi auf schönen Pferden in leuchtenden Har- 
nischen und bunten Watfenröcken, mit wallenden Fahnen in ungemein schöner Land- 
schaft, das äusserste Bild die gerechten Richter dar, unter denen uns, einer alten 
Tradition zufolge, in dem milden freundlichen Greise auf prächtig geschmücktem 
Schimmel, im blauen Sammtpelze das Porträt des Hubert, in dem eines tiefer in der 
Gruppe sich befindenden schwarzgekleideten Reiters das Bildniss des Jan- erhalten 
sein soll. Diese unteren fünf Bilder sind noch besonders hochwichtig als erste Bei- 
spiele einer ausgebildeten Landschaft. Die Gemälde, der Aussenseite des Altar- 
schreins tragen sämmtlich das Gepräge aus der Zeit der Beendigung des Bildes. Die 
Verkündigung zeichnet sich durch ausserordentliche Schönheit der Köpfe, sowie die 
Naturwahrheit der im Zimmer befindlichen Geräthschaften und der Aussicht durch 
die Arkade auf eine noch heute erkennbare Strasse von Gent aus, nur zeigen die 
Gewänder jenen bereits erwähnten scharfkantigen kleinbrüchigen Faltenwurf; sie 
wird als ein Werk des Jan betrachtet, dieser hat aber wohl nur die Köpfe und Hände 
gemalt, das übrige, sowie die Sibyllen und der Prophet Micha werden neuerdings 
dem Lambert van Eyck zugeschrieben. Die grau in grau ausgeführten Bilder 
der beiden Johannes auf den Aussenseiten der unteren Seitenfiügel zeigen zwar einen 
schwerfälligen Styl in der Gewandung, gehören aber mit zu den schönsten Theilen 
des Werks. Die knieenden Bildnisse der Stifter sind mit unnachahmlicher Lebens- 
Wahrheit und Treue dargestellt, und sie erscheinen trotz dem darin sichtbaren grossen 
Fleiss des Künstlers durchaus nicht ängstlich, da. mit den Körperformen zugleich der 
Geist, der sie belebt, aufgefasst ist. 
Dieses Altarwerk, das von ausserordentlicher Bedeutung für die Geschichte der 
Deutschen ist, scheint schon von seiner Entstehung an als einer der grössten Kunst- 
schätze des Nordens gegolten zu haben. Gleich ein Jahr nachdem die Meister es be- 
gonnen, 1421, schenkte die Stadt Gent den Brüdern Hubert und Jan van Eyck freiwillig 
und unentgeldlich das Meisterrecht und nach seiner Vollendung war es die Bewunderung 
und der Stolz der ganzen Stadt. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts fertigte Michael 
Cocxie für den König Philipp II. von Spanien eine Copie davon, deren einzelne 
Theile. ebenfalls Zefßiüreüü, in die Münchner Pinakothek, in (MS Berliner Museum 
und in den Besitz des verstorbenen Königs von Holland kamen. Eine zweite, minder 
bedeutende Copie aus etwas späterer Zeit, welche sämmtliche inneren Bilder des 
grossen Werks umfasst, befand sich früher in der Kapelle des Stadthauses zu Gent 
und kam später in den Besitz des Hrn. Aders zu London. Sämmtliche Originalbilder 
sind noch gut, zum Theil trefflich erhalten. Das Mittelbild mit der Anbetung des 
Lammes hat jedoch schon vor Alters an den unteren Theilen gelitten, so dass im 
Jahr 1550 die Maler Lancelot Blondeel von Brügge und Johann Schoreel von 
Utrecht berufen wurden, es wieder herzustellen, welcher Aufgabe sich beide Maler 
auch mit äusserster Klugheit und Vorsicht unterzogen- 
Ausser den Arbeiten, welche an dem besprochenen Werke als sein Eigenthum 
bezeichnet werden müssen, scheint bis heute kein weiteres beglaubigtes Bild von
	        
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