Eyck, Hubrecht und Jan van.
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technischen Mittel an die Hand gab. Man hat namentlich der hohen Ausbildung
der Technik der Malerei in Oel die überraschende Erscheinung dieser plötzlichen
hohen Vollendung zugeschrieben, in welcher wir die Werke der Brüder van Eyck
erblicken. Man darf aber, wenn man erstere auch als Hauptbeforderungsmittel der
letzteren gelten lässt, nicht verkennen, dass die Blüthe und Macht, zu welcher
sich die tlandrischen Städte in jener Zeit emporgeschwungen hatten , Lebenslust und
Vaterlandsliebe, allgemeine Verbreitung eines kräftigen religiösen Sinnes, die Pracht
und Kunstliebe des burgundischen Hofes dazu schon vorher den Boden bereit-et;
dass Hubrecht und Jan in der damals vielfach geübten Glas- oder der noch belieb-
teren Miniaturmalerei, in welchem Fache man es bereits zu einer unvergleichlich
hohen Vollkommenheit gebracht hatte, ferner in den altniederländischen Bildhauer-
schulen, namentlich in denen von Dinant und Tournay, in welchen bereits die Be-
strebungen einer individuellen Naturwahrheit mit grossem Glück befolgt wurden,
die Vorbilder der neuen Richtung gefunden hatten, in welcher sie so Wunder-
bares geleistet.
Der Realismus in seiner ganzen bunten Fülle der Erscheinung, aber geadelt
und geweiht durch die Vermählung mit der religiösen Idee, ist es also, was uns
in ihren Bildern entgegentritt. Dadurch wurde der_Stoff der Darstellung bedeutend
erweitert, wozu die Altarwerke in Form von Schreinen mit Flügelthüren und mehr-
fachen Abtheilnngen passende Räume abgaben. Blieb auch immerhin Christus in
seinen mannigfachen Beziehungen zur Kirche in der Regel der Mittelpunkt und
Hauptgedanke des Altargemäldes, so boten doch die verschiedene Auffassungsweise
dieses Gedankens und die Uebergänge zu den Ereignissen aus seinem Leben oder
aus dem der Heiligen, namentlich der heil. Jungfrau, die sogar häufig zur Altar-
gottheit wurde, die Beziehungen des neuen Testaments zum alten u. s. w. der Phan-
tasie ein grosses, weit über die bisher gewohnte Darstellungsweise hinausgehendes
Feld. Gefordert wurden diese künstlerischen Unternehmungen Wesentlich durch den
herrschenden Gebrauch der Weihegeschenke, der Votivgemälde, von den Stiftern
zum Heil ihrer Seele der Kirche gewidmet. Es war keine begütcrte Familie, keine
Corporation, die nicht ihr Altarwerk in irgend einer Kirche gehabt hätte. So sehr
aber die kirchliche Andacht noch alle Geister beherrschte, so sehr trat nun doch
schon in den Kunsterzeugnissen das künstlerische Element mehr in den Vordergrund.
Zwar behielt die neue Richtung, was Auffassung und Darstellung betrifft, die sym-
bolische Anschauungsweise noch lange bei, überall liegt dem Bild der bedeutende
Gedanke zu Grund und motivirt seine Darstellung; allein diese selbst blieb nicht
mehr in die alte rituale Form gebannt, sondern überall regte sich das Bedürfniss
einer freieren, einem lebendigen Gefühl entsprechenden Bewegung und zu der Gestalt
trat mehr und mehr die Handlung und deren Wirkung auf das Gemüth. Das Subjektive
trat mit aller Macht in den Vordergrund; Züge und Ausdruck wurden nach Gut-
dünken der Wirklichkeit entnommen, und für alles Uebrige die heiterste, vielartigste
Pracht der Erde in Anwendung gebracht. In diesem instinktartigen Drängen der Kunst
nach möglichster Uebereinstimmung mit dem Leben, der sinnlich wahrnehmbaren
Wiyklichkeit, musste nun auch die Anordnung im Allgemeinen von ihrer früheren
architektonischen Strenge nach und nach ablassen; auch die Charakteristik beschäftigte
sich jetzt mehr mit den Vorbildern der Natur, statt wie früher mit Gebilden der
Phantasie , die zu ihrem Ideal die Form aus sich erschuf. Die goldenen Hintergründe,
welche die leuchtende Pracht des Himmels andeuten sollten, verschwanden und statt
ihrer eröffnete sich die Aussicht auf unser irdisches Paradies mit seinen Bergen und
Thälern, seinen WVäldern und Strömen, Städten und Dörfern. Durch die Anmuth, Klar-
heit und Frische dieser Aussenwelt, deren reiche Mannigfaltigkeit mit den Fortschritten
der neuen Richtung zunahm, wurde eine ausserordentliche Heiterkeit über die Fi-
guren verbreitet, welche ihren strengen kirchlichen Ernst milderte. Die heiligen
Begebenheiten wurden dadurch mit unserem wirklichen Leben in so nahe Be-
ziehungen gebracht, dass die unwiderlegliche Wahrheit des einen die Glaubwürdig-
keit des andern über allen Zweifel zu erheben schien und mit derselben Liebe und