Dyck , Anthonie van.
539
nach der Abnahme vom Kreuz von den Seinigen betrauert, das Märtyrerthum des
heil. Sebastian in denen er es im Einzelnen zur schönsten Vollendung, zum er-
greifendsten Pathos gebracht hat. In seinen Darstellungen der heil. Familie, die
er ebenfalls mehrfach gemalt, zeigt sich dagegen meistens eine liebenswürdige,
Weiche Heiterkeit und Grazie. Andere Gemälde historischen Inhalts finden sich
einzeln und seltener, ebenso die Compositionen mythologischer Gegenstände, welch
letztere seiner Richtung überhaupt weniger entsprachen, denn wenn er auch hier
gleich in der Darstellung nackter Körperformen, die Zartheit seines Colorits ent-
wickeln konnte, so wusste er doch nicht jenen Ausdruck von Naivität zu erlangen,
welcher für derart-ige Malereien unter allen Umständen nöthig ist.
Den vorzüglichsten Ruhm erreichte van Dyck jedoch im Bildniss, und er gehört
mit Velasquez zum grössten Porträtmaler seiner Zeit. Seine Bildnisse zeichnen
sich durch die feine, und edle oft sogar bedeutende Auiiassung, die ausserordentliche
Wahrheit und Natur, die meisterliche Behandlung, grosse Klarheit der Farbengebung
und trefliche Gesammthaltung aus. Sie geben das feinere Wesen der vornehmen
Stände, für die fast ausschliesslich sein Pinsel arbeitete, die geheimeren Züge des
Charakters bei ausserer Abglättung desselben, lebendig und geistreich wieder, und
mit der bequemsten wahrhaft aristokratischen Ungezwungenheit verbunden. Die
Stellungen sind der Natur abgelauscht, stets der Individualität eines Jeden am ange-
messensten, seine Köpfe, vorzüglich aber seine Hände wunderschön und elegant. Nie
wählte er vorübergehende leidenschaftliche Momente, still und zwanglos steht jedes
seiner Bildnisse vor uns und lässt uns klar in die Tiefe seines Wesens schauen. Alles
ist- mit breitem Pinsel, ebenso kühn als sorgfältig, ebenso geistreich als fieissig, klar,
und weder zu bunt noch zu kalt, ruhig und ungesucht gemalt. Sein Fleisch ist voll
Blut, vom wärmsten Lebensodem durchhaucht, sein Colorit in einem tiefen, klaren
Goldton gehalten, von sehr grosser Kraft und Harmonie und wärmer als das seines
Lehrers , die Tinten sind herrlich und weich verschmolzen. Auf das Helldunkel aber
und auf die Reflexe verstanden sich wenige Meister so meisterhaft als van Dyck.
Auch die Haare wusste er vorzüglich zu behandeln, sowie die ungezwungen und ge-
schmackvoll geworfenen Gewänder in dem schönen malerischen Costüm seiner Zeit
täuschend nachzuahmen. In späterer Zeit erst oder als es galt, die Mittel zu seiner
sehr vornehm gewordenen Lebensweise zu betreiben, wurde er oft iiüchtiger, im Aus-
druck allgemeiner und in der Färbung kälter.
Gemälde von van Dyck trifft man in allen grösseren öffentlichen und Privatsamm-
lungen, namentlich in England, wo er sich so lange aufhielt. Die vorzüglichsten
der in den werthvollsten Gallerien dieses Landes zerstreuten Bilder von ihm sind,
unter den 21 Bildern in Windsorcastle: das berühmte Bildniss Karl I. zu Pferd, neben
ihm sein Stallmeister, besonders bemerkenswerth durch den schwermüthigen, unglück-
weissagenden Zug im Gesicht des Königs; die Kinder Karl L, in zwei verschiedenen
Bildern, wovon das eine im Berliner Museum, das andere in der Dresdner Gallerie
wiederholt sich voründet; die Bildnisse des Dichters Thomas Killegrew und des
Henry Carew (mit dem Namen des Künstlers und der Jahrszahl 1638 bezeichnet); die
Herzogin von Richmond als heil. Agnes; der Kopf Karl I., der dem Bernini nach
Rom gesandt wurde, die Büste des Königs darnach zu machen; Karl I. und die
Königin mit.zwei Prinzen (1632); in deT Nationalgallerie zu London: das ausgezeich-
zeichnete Bildniss des Gevartius, eine Copie des Rubens'schen Bildes (in der Gallerie
des Belvedere Zu Wien): Ambrosius, der dem Kaiser Theodosius den Eintritt in die
Kirche zu Mailand verweigert und das Bildniss des Rubens; in Devonshirehouse da-
selbst: das Porträt der Gräfin Margaretha von Carlisle, die Bildnisse von Rubens und
Van Dyck, grau in grau für den Stich von Pontius ausgeführt lmd zwei andere Por-
träts; ferner Moses Aussetzung, von zweifelhafter Aechtheit; zu Kensington: die
Bildnisse der Zwei Söhne des Herzogs von Buckingham und das Porträt eines Philo-
sophen; in der Sammlung des Hrn. W. G. Coesvelt: eine büssende Magdalena; zu
Chiswick bei London: das Bildniss des Dichters Th. Killigrew, geistreich und leben-
dig und VOR feiner Farbe; in der Bridgewatergallerie zu London: eine Madonna mit