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Dürer ,
Albrecht.
stadt aufgestellte Brouzestatue des gefeierten Meisters (von Rauch) das Andenken
ihres grossen Landsinannes würdig zu ehren.
In Albrecht Dürer steigerte sich das vorhandene deutsche Kunstvermögen seiner
Zeit zur eigeuthürnlichsten und möglichst gediegenen Vollendung, in ihm entwickelte
es sich gleichzeitig mit dem VWiederaufwachen der WVissenschaften in Europa und
der Glaubensreinigung in Deutschland zur höchsten Blüthe. Ein unerschöpiiicher
Reichthum des Geistes, der sich nicht mit der Malerei und den übrigen zeichncnden
Künsten allein begnügte, sondern mannigfaeh auch in das Fach der Sculptur und
sogar der Architektur mit Erfolg übergriif; eine unermessliche Erfindungsgabe, die
sich über die heil. Geschichte wie über Vorgänge des gewöhnlichen Lebens erstreckte;
eine Auffassungsgabe, welche das Leben bis in die feinsten Nuancen seiner Bewegung
zu verfolgen wusste; ein lebhaftes Gefühl für das feierlich Erhabene, wie für die
Aeusserungen naiver Anmuth und Gemüthlichkeit; vor Allem aber ein treuer ernster
Sinn, verbunden mit dem strengsten wissenschaftlichen Studium das er auch durch
Herausgabe mehrerer theoretischer Schriften glänzend beurkundete sind Eigen-
schaften, die ihn den ersten Künstlern, welche die Welt kennt, würdig an die Seite
setzen. Freilich haben auch bei ihm einerseits jener allgemeine Hang der nordischen
Kunst zum Phantastischen, der mit jenem satyrischen Humor zusammenhängt, welcher
von der Mitte des I5.Jahrhunderts bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts fast in
ganz Deutschland einheimisch war, andererseits der Druck äusserer Verhältnisse,
welche seinen Geist zu keinem ungehemmten freien Aufschwung kommen liessen,
die reine Entwicklung seiner künstlerischen Kraft vielfach verkümmert. Jener trieb
jedoch einzelne wundersame Blüthen, einige reizvolle Dichtungen, deren geheimniss-
voller Inhalt uns mit unauflöslichem Interesse an sich zieht; dieser aber liess das
höchste Ziel der Kunst, die Schönheit, welche in der unzertrennbareu Verschmelzung
von Inhalt und Form besteht, nur im seltensten Falle zur vollkommenen Befriedigung
gelangen. Er erklärt das Ungleichartige mancher Arbeiten von ihm , und das Fest-
halten mancher, die Schönheit seiner Gedanken trübenden Aeusserlichkeiten. So ist
im Ganzen seine Auffassung der Natur mehr geistreich und energisch, als fein und
treu, seine Zeichnung dagegen immer voll Leben und Charakter und von bewunderns-
würdiger Sicherheit; doch fallt auch bei ihr manch befremdliches Motiv der Bewegung
auf und nicht selten leidet sie an allzugrosser Magerkeit; seine Gewandung ist eben-
falls häufig auf eine Weise zugeschnitten, welche keineswegs der Entwicklung der
Formen des Körpers günstig ist, und zeigt, wenn auch oft gross geworfen, eine wun-
derliche Manier von Ecken und Brüchen, die das Auge verletzen. Seine Composition
ist oft verworren und geräuschvoll, so dass Episoden, die zuweilen sogar trivial sind,
den Blick des Beschauers vom Hauptgegenstand ablenken, hie und da überrascht sie
aber auch wieder durch grosse Ruhe und wirksame Massenvertheilung. Seinen
Figuren fehlt es durchaus nicht an Grazie und einige seiner Madonnen ziehen durch
ihre Anmuth und naive Unbefangenheit unwiderstehlich an, ja selbst seine Gestalten
sind in einzelnen Fällen von überraschender Schönheit, freilich öfters aber auch von
einer wirklich abstossenden Hässlichkeit. Seine Farbe hat einen eigenthümlichen
Glanz und an sich eine Schönheit, welche vielfach andere Gemälde überstrahlt; aber
es ist nicht eine Nachahmung der kräftigen und vollen Weise, in welcher uns die
Farbe an den Gegenständen der Natur erscheint; es ist vielmehr ein unabhängiges
Spiel der Phantasie in Glanz und Licht, welches dem Auge zwar einen zauberhaftgn
Reiz gewährt, aber von der eigentlichen Schönheit menschlicher Bildung abtiihrt,
und das in fast gänzlicher Abwesenheit des Helldunkels um so stärker wirkt. In der
Ausführung ist er treuiieissigst und meisterhaft, im Vortrag aber meist mehr zeich-
nend als malend. Im Ausdruck und in der Bildung des Gesichts und anderer Körper-
formen folgt sodann Dürer häuüg einer gewissen Manier, Welche weder als die Norm
einer idealen Schönheit gelten kann , noch als getreues Anschliessen an die Formen
des gewöhnlichen Lebens, sondern wiederum mehr nur als Hang zum Sonderbaren
zu erklären ist. Trotzdem übt die bei weitem grössere Mehrzahl seiner Werke einen
höchst würdigen Eindruck auf den Sinn und Geist des Besehauers, was eben wieder