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Albrecht.
Dürer ,
nakete Bild gemacht und hat sy dem albrecht durer gen Nornberg geschickt, im seyn
hand zu weisen." Unter den im Jahr 1514 verfertigten Kupferstichen sind einige
vorzügliche Blätter zu erwähnen. Hieher gehört zunächst: „die Melancholie 4', eine
allegorische Darstellung voll tiefsinnigen Gedankens, charakteristischer Auflassung
und eigenthümlichem Reiz, und der vollständige Gegensatz dazu: der heil. Hierony-
mus in seiner Studierstube, ein Blatt von sinnigster Phantasie in der Anordnung, das
uns das wirkliche Leben einfacher Häuslichheit in seiner liebenswürdigsten Gestalt,
voll Heiterkeit und Anmuth zeigt und selbst in den geringfügigsten Nebendingen
den Stempel eines edlen, liebevollen Geistes trägt.
Im Jahr 1515 malte Dürer sein Selbstporträt in Pelzmantel und Mütze (gegen-
wärtig in der Ambraser Sammlung zu Wien), und begann zugleich sein grösstes
Holzschnittwerk: die Ehrenpforte des Kaisers Maximilian, eine weitschichtige Arbeit
mit einer unendlichen Fülle historischer Darstellungen, Porträtiiguren und bunten
Ornamenten, nach dem Programme des kaiserlichen Historiographen und gekrönten
Poeten Joh. Stabius erfunden , und grösstentheils von H i e r o n y m u s R ö s c h
geschnitten. Obgleich an eine kunstgemässe Totalwirkung dieses Werks nicht zu
denken ist, so fehlt es dem Ganzen doch nicht an einem zweckmässigen Verhältniss.
Die Architektur ist in barock lahantßastischen Formen gehalten, dieselben sind aber
in eigenthümlich geistreichpr Weise zusammengesetzt; die Verzierungen erzscheinen im
Einzelnen ungemein geschmackvoll und mit lebendigem Gefühl gezeichnet. Die Bild-
nisse, welche die Vorgänger und Vorfahren des Kaisers von Julius Cäsar und dem
Merovinger Chlodwig und seine gesammte Verwandtschaft darstellen, sind besonders
durch die ausscrordentliche Mannigfaltigkeit charakteristischer Köpfe, die er eigens
dazu erfinden musste , merkwürdig. Nur in den historischen Darstellungen, welche
die Glanzmomente aus dem Leben des Kaisers enthalten, tritt mehr der Historiograph,
der sie angeordnet, als der Künstler hervor; der eigentlich künstlerischen Momente
sind daher wenige unter ihnen, wenn es gleich an einzelnen anziehenden Motiven
nicht fehlt. Das Ganze ist aber immerhin ein Werk, das die ungemeine geistige
Beweglichkeit des Meisters wiederum in glänzender XVeise beurkundet. Es besteht
aus 92 Blättern, die zusammen 101], Fuss in der Höhe und 9 Fuss in der Breite
messen, und ist in den ältesten Ausgaben äusserst selten. Es existiren davon drei
verschiedene. Die noch vorhandenen fünf Exemplare der ältesten Ausgabe, von
denen man eines in der Sammlung des Grafen Pries zu Wien, eines in der Kupferstich-
sammlung zu Stockholm, zwei im Kupferstichkabinet zu Kopenhagen, und eines in
der königl. Kupferstichsanimlung im Museum der bildenden Künste zu Stuttgart findet,
scheint man indessen für nichts anderes als Probeabdrücke des Meisters betrachten
zu. dürfen. Es fehlt darauf die Darstellung des mailändischen Kriegs, die Vielleicht,
noch nicht geschnitten war. Auch scheint der Kaiser, der ungemeines YVohlg-efallen
an der Arbeit fand und fast täglich zu Meister Hieronymus, der daran schnitt, „in's
Frauengässlein" fuhr, aber schon 1519 starb, die Vollendung des Ganzen nicht er-
lebt zu haben. Denn die zweite Ausgabe, welche die zweimal an den Thürmen an-
gebrachte J ahrSwbl 1515 als das Jahr, in welchem das Werk begann, zeigt, scheint
nicht vor 1559 herausgekommen zu sein, welche Zahl nebst der Schrift: "Gedruckt
zu Wiien in Oesterreich bei dem Raphael Hofhalter auf Pohlnisch Skrzetusski genannt
MDLIX" darauf zu lesen ist. Auf ihr ist das Blatt mit der Darstellung des Mailänder-
kriegs ausgefüllt und der Holzstock mit der Statue des Kaisers Rudolph, auf welcher
zugleich obige Jahrszahl angebracht ist, verändert. Die dritte Ausgabe endlich
wurde von Bartsch, der die verloren gegangenen 21 Stöcke in Kupfer copirte, und
1799 unter dem Titel: „Ehrcnpforte. Arc triomphale, de l'Empereur Maximilien I.
grave en bois dapres les dessins d'Albcrt Durer. Vienne, ehe; T, Mollo es Compf"
herausgegeben.
In dem Jahre 1515 fertigte Dürer ausserdem für das Gebetbuch des Kaisers
Maximilian , der den Künstler immer mehr in seine Gunsten nahm und ihn zu seinem
Hofmaler mit einem Gehalt von 100 Gulden ernannt hatte, die berühmten Randzeich-
4' Abgebildet in den D enkmälern der Kunst. Atlas zu Kuglers Handli. der Kunstgesch. Taf. 83, Fig- 7-