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Dürer ,
Albrecht.
Lebens, sondern dieselbe streift, selbst in den Gestalten der Heiligen, in dem Streben
nach Naturtreue der Darstellung an's Unschöne. Man sieht dieser bewussten und
absichtlichen Durchführung des Einzelnen an, dass es dem Meister nicht darum zu
thun War, die irdische Form des Menschen von ihren Mängeln und Zufälligkeiten zu
reinigen, sondern dass er vielmehr der Individualität in ihrer Befangenheit einen
gültigen YVerth zuerkannte und sie durch die Reize eines phantasmagorischen Farben-
spiels zu erheben suchte, statt ihr durch Schönheit und innere Bedeutsamkeit der
Form eine höhere Weihe zu geben. Im Uebrigen ist es ziemlich sicher, dass er den-
jenigen seiner Bilder einen vorzüglichen Werth beilegte, auf denen er sein eigenes
Porträt anbrachte. In der Vorhalle der Landauerbrüderhauskapelle hängt indessen
jetzt nur noch der nach seiner Zeichnung und unter seiner unmittelbaren Leitung
geschnitzte, mit Figuren geschmückte Rahmen zu diesem Gemälde, das Bild selber
befindet sich in der Gallerie des Belvedere zu Wien.
Aus dem Jahr 1512 stammt das kleine Gemälde der Maria mit dem eine ange-
schnittene Birne in der Hand haltenden Jesuskinde (in der Gallerie des Belvedere
zu Wien), auf welchem das Gesicht der heil. Jungfrau zwar in den gewöhnlichen
Formen Dürer's erscheint, aber den zartesten jungfräulichen Charakter trägt, das
Gesicht des Kindes dagegen ausgezeichnet schön ist. Zugleich ist das Bildchen
ausserordentlich sauber gemalt, nur in den Schattentönen des Fleisches zu gräulich.
Dann gehören unter die schönsten von ihm in diesem Jahr gestochenen einzelnen
Blätter: Maria auf der Rasenbank, das Kind säugend; Christus, der Dulder, stehend,
rechts ein Baum; der heil. Hieronymus betend am Pult in der Fclsenschlucht, beide
letztere höchst seltene Blätter; der Marktbauer. Auch der grösstc Theil der von
1507-1513 erschienenen grossen Reihefolge von kleinen Kupferstichen, welche
abermals die Passion zum Gegenstand der Darstellung haben, fällt in das Jahr 1512,
in welchem er endlich von seinem grossen Gönner, dem Kaiser Maximilian L, einen
Freibrief erhielt, der seine Kupferstiche und Holzschnitte, die ihm vielfältig nach-
gestochen wurden, wodurch er sich in seinem Erwerb bedeutend beeinträchtigt fühlte,
vor unberufencr Nachbildung schützen sollte.
Diese Folge von 16 Blättern gehört unter die besten Arbeiten Dürefs, hin-
sichtlich der reichen Composition, des Ausdrucks in den Köpfen und der vorzüglichen
Vollendung. Die grössten Meister haben sie bei Gemälden benützt und sie sogar
copirt. Man liebte sie wegen ihrer Vorzüglichkeit immer sehr; in älterer Zeit wurden
sie häufig in Gebetbücher gebunden und viele Reiche liessen sie kostbar illuminiren.
Zum Unterschied von den Holzschnittpassionen nennt man sie gewöhnlich: die kleine
Kupferstichpassion.
Hier kann eine Reihe von Gemälden Dürefs eingeschaltet werden, über deren
Zeit keine sichere Daten vorhanden sind , die aber der Mehrzahl nach in die mittlere
Periode des Künstlers gehören dürften. Man zählt dahin; eine lßlater (loloroga, in
der Münchner Pinakothek, stehend mit gefalteten Händen, einfach und würdig; eine
schöne kleine Geburt Christi, zu Burleighouse in England; einen Ecce homo in der
Moritzltapelle zu Nürnberg, sehr weich, und durchgeführt modellirt, die Formen des
Kopfes und des Körpers jedoch ohne höheren Adel; das Altarblatt mit Flügeln in
der Münchner Pinakothek, das, von der Familie Baumgärtner in die Katharinenkirche
zu Nürnberg gestiftet, von Kurfürst Maximilian I. aber im Anfange des l7.Jahr-
hunderts für München erworben worden, und im Mittelbild: die Geburt Christi, das
Kind in der Mitte von Engeln umgehen, in den Flügelbildern: die Porträts der
beiden Donatoren unter den Gestalten der Heiligen Georg und Eustachius als, ge-
harnischte Ritter, von denen der eine eine höchst interessante Gestalt ist, darstellt;
sodann den vom Kreuz genommenen Leichnam Christi, ein von der Familie Holz-
schuher in die Kirche St. Sebaldin Nürnberg gestiftetes Bild, das nachher in Besitz
der Pellerschen Familie, von da in die Boisseröesche Sammlung kam und jetzt sich in
der Pinakothek zu München befindet, eine tigurenreiche schön geordnete Composition
von eigenthümlicher leuchtender Farbengebung, im Ausdruck der Köpfe aber ohne
sonderliche Tiefe. (Eine YViederholung, wahrscheinlich eine alte, aber nicht werth-