Volltext: A - E (Bd. 1)

508 
Dürer , 
Albrecht. 
Lebens, sondern dieselbe streift, selbst in den Gestalten der Heiligen, in dem Streben 
nach Naturtreue der Darstellung an's Unschöne. Man sieht dieser bewussten und 
absichtlichen Durchführung des Einzelnen an, dass es dem Meister nicht darum zu 
thun War, die irdische Form des Menschen von ihren Mängeln und Zufälligkeiten zu 
reinigen, sondern dass er vielmehr der Individualität in ihrer Befangenheit einen 
gültigen YVerth zuerkannte und sie durch die Reize eines phantasmagorischen Farben- 
spiels zu erheben suchte, statt ihr durch Schönheit und innere Bedeutsamkeit der 
Form eine höhere Weihe zu geben. Im Uebrigen ist es ziemlich sicher, dass er den- 
jenigen seiner Bilder einen vorzüglichen Werth beilegte, auf denen er sein eigenes 
Porträt anbrachte. In der Vorhalle der Landauerbrüderhauskapelle hängt indessen 
jetzt nur noch der nach seiner Zeichnung und unter seiner unmittelbaren Leitung 
geschnitzte, mit Figuren geschmückte Rahmen zu diesem Gemälde, das Bild selber 
befindet sich in der Gallerie des Belvedere zu Wien. 
Aus dem Jahr 1512 stammt das kleine Gemälde der Maria mit dem eine ange- 
schnittene Birne in der Hand haltenden Jesuskinde (in der Gallerie des Belvedere 
zu Wien), auf welchem das Gesicht der heil. Jungfrau zwar in den gewöhnlichen 
Formen Dürer's erscheint, aber den zartesten jungfräulichen Charakter trägt, das 
Gesicht des Kindes dagegen ausgezeichnet schön ist. Zugleich ist das Bildchen 
ausserordentlich sauber gemalt, nur in den Schattentönen des Fleisches zu gräulich. 
Dann gehören unter die schönsten von ihm in diesem Jahr gestochenen einzelnen 
Blätter: Maria auf der Rasenbank, das Kind säugend; Christus, der Dulder, stehend, 
rechts ein Baum; der heil. Hieronymus betend am Pult in der Fclsenschlucht, beide 
letztere höchst seltene Blätter; der Marktbauer. Auch der grösstc Theil der von 
1507-1513 erschienenen grossen Reihefolge von kleinen Kupferstichen, welche 
abermals die Passion zum Gegenstand der Darstellung haben, fällt in das Jahr 1512, 
in welchem er endlich von seinem grossen Gönner, dem Kaiser Maximilian L, einen 
Freibrief erhielt, der seine Kupferstiche und Holzschnitte, die ihm vielfältig nach- 
gestochen wurden, wodurch er sich in seinem Erwerb bedeutend beeinträchtigt fühlte, 
vor unberufencr Nachbildung schützen sollte. 
Diese Folge von 16 Blättern gehört unter die besten Arbeiten Dürefs, hin- 
sichtlich der reichen Composition, des Ausdrucks in den Köpfen und der vorzüglichen 
Vollendung. Die grössten Meister haben sie bei Gemälden benützt und sie sogar 
copirt. Man liebte sie wegen ihrer Vorzüglichkeit immer sehr; in älterer Zeit wurden 
sie häufig in Gebetbücher gebunden und viele Reiche liessen sie kostbar illuminiren. 
Zum Unterschied von den Holzschnittpassionen nennt man sie gewöhnlich: die kleine 
Kupferstichpassion. 
Hier kann eine Reihe von Gemälden Dürefs eingeschaltet werden, über deren 
Zeit keine sichere Daten vorhanden sind , die aber der Mehrzahl nach in die mittlere 
Periode des Künstlers gehören dürften. Man zählt dahin; eine lßlater (loloroga, in 
der Münchner Pinakothek, stehend mit gefalteten Händen, einfach und würdig; eine 
schöne kleine Geburt Christi, zu Burleighouse in England; einen Ecce homo in der 
Moritzltapelle zu Nürnberg, sehr weich, und durchgeführt modellirt, die Formen des 
Kopfes und des Körpers jedoch ohne höheren Adel; das Altarblatt mit Flügeln in 
der Münchner Pinakothek, das, von der Familie Baumgärtner in die Katharinenkirche 
zu Nürnberg gestiftet, von Kurfürst Maximilian I. aber im Anfange des l7.Jahr- 
hunderts für München erworben worden, und im Mittelbild: die Geburt Christi, das 
Kind in der Mitte von Engeln umgehen, in den Flügelbildern: die Porträts der 
beiden Donatoren unter den Gestalten der Heiligen Georg und Eustachius als, ge- 
harnischte Ritter, von denen der eine eine höchst interessante Gestalt ist, darstellt; 
sodann den vom Kreuz genommenen Leichnam Christi, ein von der Familie Holz- 
schuher in die Kirche St. Sebaldin Nürnberg gestiftetes Bild, das nachher in Besitz 
der Pellerschen Familie, von da in die Boisseröesche Sammlung kam und jetzt sich in 
der Pinakothek zu München befindet, eine tigurenreiche schön geordnete Composition 
von eigenthümlicher leuchtender Farbengebung, im Ausdruck der Köpfe aber ohne 
sonderliche Tiefe. (Eine YViederholung, wahrscheinlich eine alte, aber nicht werth-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.