502
Dürer , Albrecht.
ausübten, seinen Blick zuerst über die engen Schranken kirchlicher Kunst hinaus in
das Leben und Treiben der Welt lenkten und ihm bei der Wlahl der Körper- und Gesichts-
formen, bei der Bildung der Gewänder in Schöpfungen eigenen Styls als Vorbild
dienten. Später war er in Basel und wahrscheinlich sah er um jene Zeit auch schon
Italien, denn bei seinem nachherigen Aufenthalte zu Venedig im Jahr 1506 schreibt
er in einem Briefe an seinen Freund Willibald Pirkheimer von dem Bilde eines
venetianischen Malers: „Daz Ding, das mir vor eilif Jorn so woll hat gefallen , daz
gefelt mir jtz nit mer u. Auch machen sich in seinen damaligen Arbeiten , wie
z. B. aus einigen Zeichnungen mit der Jahrszahl 1494 (in der vom verstorbenen Her-
zog von Sachsen-Tesehen hinterlassenen Sammlung) zu ersehen, Einwirkungen von
Italien aus, namentlich von den Werken des ihm geistesverwandten A. Mantegna
bemerkbar, die seiner Phantasie zuerst die Richtung auf Kühnheit und Grossartigkeit
in Auffassung und Zeichnung, namentlich aber auch auf mythologische Gegenstände
gegeben zu haben scheinen. Schickte er doch, nachdem er von seinem Vater 1494
nac]1 Nürnberg zurückberufen werden war, auffallender Weise und der ganzen dama-
ligen noch ausschliesslich mit der Darstellung von kirchlichen Stoffen beschäftigten
deutschen Kunstiibnng entgegen, als Probearbeit zur Erlangung des znnftmässigen
Meisterrechts in seiner Vaterstadt, eine Federzeichnung ein, in welcher ein Bacchanal
und Orpheus, von Mänaden geschlagen, dargestellt war.
Nachdem er Meister geworden, verheirathete ihn sein Vater noch in demselben
Jahre mit Agnes, der schönen Tochter seines Freundes, des damals berühmten Mecha-
nikers Frey, ohne damit wesentlich das Glück des Sohnes und dessen geistig hoch-
gehenden Bestrebungen gefördert zu haben, was indessen diesen nicht abgehalten,
gegen Vater und Mutter bis in ihre Todesstunde die treueste und rührendste Liebe
an den Tag zu legen. Seine Frau, die er verschiedeneinale seine "Rechenmeisterin"
nennt, scheint eine genaue Hausfrau gewesen zu sein und ihm Schranken gezogen
zu haben, die ihn geistig und künstlerisch hemmten. So konnte, namentlich auch
bei ihrer Kinderlosigkeit, die Ehe keine glückliche sein. JVie sie zu Stande kam,
hat Albr. Dürer selbst aufgezeichnet. „Als ich anheim kommen war (von seiner
Wanderschaft) handelt Hans Frey mit meinem Vater und gab mir seine Tochter mit
Namen Jungfrau Agnes , gab mir zu ihr il. 200 und hielt die Hochzeit, war am Mon-
tag vor Margarethen im 1494 Jahr. "
Wir kennen aus dieser Frühzeit des Künstlers wenige Gemälde, auch sind es grossen-
theils Bildnisse. Ueberhaupt scheint Dürer, abweichend vom bisherigen Gebrauch, seine
Kunstübung mehr VOII eigener freier Wahl und Phantasie abhängig gemacht zu haben.
Zu diesen frühesten Bildern gehören: das Porträt seines Vaters in seinem 7O.Lebens-
Jahre. mit dem Monogramm des Künstlers und der Jahrszahl 1497 bezeichnet, in der
Pinakothek zu München; die Halbßgur einer betenden Maria, der Kopf nicht schön, aber
von zart jungfräulichem Charakter und reinem Ausdruck der Andacht (mit dem Mono-
gramm und der Jahrszahl 1497 bezeichnet) in der Galle-rie zu Augsburg; Zwei Bildnisse
der Katharina. Fürlegerin, einer gepriesenen Schönheit des 15. und 16. Jahrhunderts
aus nürnbergischem, patrizischem Geschlechte, das einemal mit aufgebundenem, das
anderemal mit prachtvoll gelöstem Haare, beide mit Dürer's Monogramm und der
Jahrszahl 1497 bezeichnet (beide gest. v. Wenzel Hollar) in der Kunstsammlung
des Direktors Böhm zu Wien (eine Wiederholung des ersteren in dey Sammlung des
Freih. von Speck-Bernburg zu Lützsehena bei Leipzig), und sein eigenes Porträt in
der iiorentinischen Sammlung eigenhändiger Künstlerbildnisse in den Uflizien, mit der
Jahrszahl 1498 bezeichnet, höchst wahrscheinlich dasselbe, das König Karl I. von
England von der Stadt Nürnberg verehrt werden war und sich nebst dem oben an-
geführten seines Vaters (jetzt ebenfalls in den Ußizien) als Gegenstück in der Gal-
lerie jenes Monarchen befand. In Ermanglung bedeutender Aufträge in Malereien,
iinden wir ihn dagegen während dieser Zeit, um sich einen grösseren Wirkungskreis
zu eröifnen, vielfach mit Kupferstich und Holzschnitt beschäftigt. Schon im Jahr
1497 hatte er die unter dem Namen der "Hexen" bekannten vier nackten Weiber
gestochen und im Jahr 1498 entstanden nun seine geistvollen Holzschnitte zur Offen-