Gornelius.
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erstürmten Himmel gestossen und, zu wilden Knäueln zusammengeballt, durch Teufel
in den Abgrund gestossen werden. Den untern Theil des Bildes endlich nimmtyrechts
vom Beschauer, die Hölle ein. Vor dem Eingang dazu sitzt der Fürst der Finsterniss, in
der Linken-einen Zweizack, in der Rechten ein Schlangenbündel, die Füsse auf zwei
Verräther, Judas und Segest setzend, vor ihm, in den Gestalten Verdammter, die
sieben Todsünden und das Gezücht der Heuchler. Vor den Pforten der Hölle liegen
die Neidischen zur Fortsetzung ihres genusslosen Lasters. Zwischen der Hölle und
der Auferstehung, Welche die Umwandlung des verklärten Leibes in verschiedenen
Scenen des Wiederündens und Wiedererkennens zeigt, sehen wir ein Weib, das, von
einem Teufel gezerrt, sich tleheutlich an einen Engel Wendet, der den Bösen mit dem
Schwerte abwehrt, wodurch der Erfolg der Fürbitte ltlariens für die schuldbewussten
und strafwürdigen Sünder am Throne des Weltrichters angedeutet und der untere
Theil des Bildes mit dem oberen geistig verbunden wird. Dieses grosse 63 Fuss
hohe und 39 Fuss breite Gemälde wurde von Cornelius in allen Theilen selbst in
fresco ausgeführt.
TVie in der Glyptothek die Lehre von der Entstehung der TVelt bei den Griechen
im Zusammenhang mit ihrer Götter- und Heroensage, so hat Cornelius in den Ge-
mälden der Ludwigskirche die christlich-religiösen Ideen der Weltordnung mit einem
philosophisch gebildeten Kunstgeiste von seltenster Tiefe und einer unvergleichlichen
schöpferischen Gestaltungskraft zu einem grossen Ganzen von gewaltigster Wirkung
zusammengefasst. Die ewigen Ideen von Grösse, Macht und Erhabenheit sind darin
in der grossartigsten Symbolik auf das Lebendigste versinnlicht. Mit dem tiefsten
Erfassen des Gegenstandes, schlagender Richtigkeit der Wahl, sowie möglichster
Kürze und Klarheit im Ausdruck, verbindet der Künstler eine bewundernswürdige,
durch lebendige Symmetrie und sicheres Maassgefühl geleitete Architektonik des
Aufbaus und Schönheit und Grossartigkeit der Anordnung, sowohl in den Gruppen
im Allgemeinen, als im Gang und der Verbindung der Linien im Einzelnen, der
Massen und der Beleuchtung, einen unerschöpflichen Reichthum der wahrsten und
schönsten Motive, sowohl in den Gestalten und deren Bewegungen, als in den Gesichts-
zügen und Gewändern, und eine eigenthümliche charakteristische Formgebung, so
dass seine Kunstweise an die verschiedensten , oft entgegengesetztesten grossen Vor-
bilder der klassischen Zeiten christlicher Malerei erinnert und doch zuglcichdurch
und durch eigenthümlich ist. Diess sind Vorzüge von so hoher Bedeutung und Trag-
weite für die deutsche Kunst der Gegenwart, der sein Genius die Wege zur Ent-
faltung all ihrer inwohnenden Kraft vorgezeichnet, dass darüber selbst der Tadel,
Cornelius verfolge und entwickle in diesen Bildern den dogmatischen Gedanken zu
sehr in einer entschieden mittelalterlichen scholastischen Richtung, die mit der Naivi-
tät künstlerischer Conception hin und Wieder in einen bedenklichen Widerspruch
gerathe, sowie die Rüge der Mangelhaftigkeit eines die malerische Wirkung ver-
nachlässigenden oder verschmähenden Colorit-s , in den Hintergrund treten.
Ausser diesen Werken wurden um jene Zeit zwei weitere Arbeiten des Meisters
bekannt, deren wir am besten hier gedenken. Es ist die Zeichnung zu einer Scene
aus Shakespeares Romeo und Julie, die durch Engen Schaffens Stich ein Gemein-
gut geworden ist, und ein Oelbild: die drei Marien am Grabe Jesu.
Nach Vollendung der Malereien in der Ludwigskirche im Jahr 1839 machte
Cornelius eine Reise nach Paris und erhielt nach seiner Rückkehr von dort, nachdem
er gerade nochmals und nunmehr die letzte Hand an sein Gemälde des jüngsten Ge-
richts gelegt hatte, im Jahr 1840 einen Ruf nach Berlin als Direktor der dortigen
Kunstakademie, dem er im Jahr 1841 folgte. Seine Mission in München schien ihm
erfüllt, auch glaubte er künstlerische Kräfte genug zu hinterlassen, welche die
Malerei auf dem durch ihn erhobenen Höhengrade zu erhalten und in derselben Rich-
tung fortzuführen versprachen. Vielleicht mochten Manche sogar seine Abreise für
die Selbstständigkeit der bedeutenderen unter den mit- und nachstrebenden Künstlern,
deren Eigenthümlichkeit die unbeugsame Entschiedenheit des künstlerischen Charak-
ters ihres Meisters, mehr oder minder beherrschte, als ein Glück erachten. In Berlin