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Comelius.
drei Wänden endlich sind: der Zorn des Achilles; der Kampf um den Leichnam des
Patroklus und die Zerstörung Troja's.
Derselbe reiche künstlerische Geist, der aus den Malereien des Göttersaales
spricht, waltet auch mit demselben Ernst und derselben Hoheit in diesen Bildern,
und hat uns dort in den Wandgemälden besonders das Ergreifende der poetischen
Erfindung für den Meister begeistert, so bewundern wir in denen dieses Saales neben
den sonstigen, an jenen schon gerühmten Vorzügen namentlich die macht-volle drama-
tische Entwicklung. Sämmtliche Darstellungen wurden nach den Compositionen von
Cornelius, von ihm selbst, von Schlotthauer, Zimmermann, dem General Hei-
deck und einigen anderen Künstlern und Schülern ausgeführt.
Neben der Glyptothek war unterdessen die neue Bildergallerie, Pinakothek ge-
nannt, emporgestiegen, und Cornelius hatte den Auftrag erhalten, die Gewölbe-
iiächen des aus 25 Loggien bestehenden Corridors derselben mit einem Gemäldecyklus
aus der Geschichte der christlichen Kunst seit ihrem Wiederaufleben bis zu ihrer
höchsten Blüthe zu schmücken. Diese Aufgabe suchte er zu lösen, indem er die
Hauptmomente aus dem Leben der berühmtesten Maler jener Zeit so darzustellen
bedacht war, dass darin Wesen, Wirken und Charakter, nicht nur der einzelnen
Künstler, sondern selbst der verschiedenen Entwicklungsperioden der mittelalterlichen
Kunst klar zur Anschauung gebracht würden. Der durch diesen umfassenden Stoff
gebotene Reichthum an Thatsachen und die grosse Mannigfaltigkeit geistiger Be-
ziehungen geboten die Anwendung der Arabeske und einer damit verbundenen alle-
gorischen Bildersprache. So schon wir in den Lünetten, der dem Fenster gegenüber-
stehenden Wand , die Hauptbilder, welche die Begebenheiten schildern, und in den
Bogenwinkeln die Bildnisse von Zeitgenossen, in den Kuppelgewölben dagegen, mit
ihren Arabesken und allegorischen Figuren , mehr die leitenden Grundgedanken, die
sich über Wesen , Ursprung und Fortgang der Malerei im Allgemeinen und über die
Verhältnisse der einzelnen Schulen und Künstler zu einander aussprechen, versinn-
bildlicht. Von den 25 Loggien sind die ersten dreizehn der italienischen Kunst bis
Raphael, die andern zwölf der deutschen und niederländischen, mit Einschluss der
französischen Malerei bis auf Rubens gewidmet. Die Reihenfolge der ersteren be-
ginnt am östlichen, die der letzteren am westlichen Ende des Ganges, so dass beide
in Raphael, als dem Mittel- und Höhenpunkt der neueren Kunst, zusammentreffen.
Die erste Loggia der östlichen Bilderfolge versinnlicht in der Kuppel: den Bund der
Kirche mit den Künsten und zeigt an der Wand den königl. Gründer des Gebäudes,
von seinem Genius in den Kreis von Dichtern und Künstlern der Vor- und Mitwelt
eingeführt; die zweite enthält als Kuppelbild: die Muse der Geschichte und zwei
Bilder aus den Kreuzzügen, als der Periode des Wiedererwachens der Kunst, als
Wandgemälde: die Gründung des Campo Santo von Pisa, durch Giovanni Pisano;
die drit-te und die folgenden Loggien sind sodann Darstellungen aus dem Leben des
Cimabue, des Giotto, des Fra Beato Angelico da Fiesole, des Masaccio,
4188 Perllgillü, des Luca Signorelli, des Leonardo da Vinci, des Correggio,
des Michelangelo und endlich des Raphael Sanzio gewidmet. Die westliche
Reihenfolge beginnt in der ersten Loggia mit einer Wiederholung des Kuppelbilds
des ersten Bogens der östlichen Reihe, um anzudeuten, dass die Religion überall die
Grundlage der Kunstentwicklung ist; in der Lunette trägt dann der Genius der
Menschheit die Kunst, die die Flamme des Opferaltars in seiner Hand unterhält, zu
den Göttern des Olymps empor. Die zweite schildert in den Kuppelbildern zwei für
die Entwicklung der Kunst bei den germanischen Völkern wichtige Begebenheiten:
Karl Martell, der die Araber bei Tours schlägt, und Bonifazius, das Christenthum in
Deutschland predigend; an der Wand sieht man: Karl den Grossen, den Gründer
deutscher Bildung auf seinem Throne, umgeben von Gelehrten und Sängern. Die dritte
Loggia zeigt, da die Grundlage der Kunstentwicklung in Deutschland wesentlich auf
der Architektur, sowohl der bürgerlichen, als der monumentalen, beruht, in den Kuppel-
bildern; die Städtegründung durch Heinrich I., den Vogler, und die Uebergabe des
Modells vom Kölner Dom durch dessen Baumeister Gerhard an den Bischof Conrad