330
Cimabue.
Darstellungsweise, eine freiere Behandlung erlauben durfte. Sehr verwandt diesem
Gemälde ist ein kolossaler Christus in trono mit zwei Engeln, der sich in S. Simone zu
Florenz, auf einem verlassenen Altar in einem dunklen Gange zwischen Kirche und
Sakristei befindet. Von dem grossen Mosaik, Welches die Haupttribüne des Domes von
Pisa schmückt, einem riesigen Christus, zu dessen Seiten Johannes, der Täufer, und
Maria stehen, ist der grösste Theil, dokumentlichen Nachrichten zufolge, von Cimabue
gegen Ende seines Lebens ausgeführt worden. Bei der Gestalt Christi in diesem
Bilde ist jedoch, wenn sie überhaupt von ihm herrührt, noch der vorgeschrie-
bene starre byzantinische Typus beibehalten, während in der Figur des Johannes,
die erwiesenermassen von seiner Hand ist, bereits eine lebendigere Bildung des
Kopfes und eine naturgemässere Bewegung hervortritt.
WVichtiger aber noch als diese Werke sind die grossen Wandmalereien , Welche dem
Cimabue in der Oberkirche des h. Franciscus zu Assisi zugeschrieben werden, Bilder,
in denen sich sein grosses Talent in seiner vollständigen Entwicklung, seine Kunst in
ihrem ganzen Umfang offenbart. Sie sind jedoch leider zum grössten Theil zerstört.
Was er in der Unterkirche gemalt, ist nicht mehr vorhanden, seine Arbeiten im Chor
und im Qnerschif der Oberkirche sind fast gänzlich erloschen, dagegen ist noch Ein-
zelnes von den Malereien der gewölbten Decke und der oberen Wände des Lang-
schifFs erhalten. Von jenen werden ihm die Gemälde der Felder des ersten, dritten
und fünften Kreuzgewülbes zugeschrieben. Sie enthalten im ersten Raume die Ge-
stalten der vier Evangelisten, die noch ziemlich byzantisirend gehalten sind, im fünften
die vier Kirchenvater, ihren Schreibern diktirend, und im dritten Medaillons mit den
Bildern Christi, der Maria, Johannes des Täufers und des h. Franciscus, sämmtlich Ge-
mälde, die dem künstlerischen Gehalt nach den erwähnten Altarbildern zu Florenz
verwandt sind. Interessanter aber als diese letzteren Gemälde selbst sind die Ver-
zierungen, womit sie eingefasst erscheinen. Hier sieht man in den unteren Winkeln
der Dreieckfelder nackte Genien dargestellt, welche geschmackvolle Vasen auf ihren
Köpfen tragen; reiche Blumenranken wachsen aus diesen Vasen empor, an denen sich
andere Genien aufschwingen, Früchte pilückend oder in den Kelchen der Blumen lau-
schend. In den freien Bewegungen, in der versuchten Modellirung des Nackten bei
diesen Gestalten , erkennt man eine entschiedene und nicht unglückliche Annäherung
an die Antike. Die Hanptleistung des Meisters aber bleiben die Malereien des obern
Theils der Wände des Langhauses der Kirche mit 16 Geschichten aus dem alten und
16 Begebenheiten aus dem neuen Testament. In diesen Gemälden, unter denen:
Joseph mit seinen Brüdern, die Hochzeit zu Kana, die Gefangennehmung Christi und
die Kreuzabnahme als die vorzüglichsten geschildert werden, erscheint das Todte,
Starre und Hässliche der byzantinischen Kunst, bis auf einen gewissen Grad voll-
kommen beseitigt und in Gruppirung, Stellung und Geberde eine, lebendige Entwick-
lung eines besonderen Moments erzielt. Wenn es Cimabue darin auch n0ch nicht
ganz gelungen ist, seine Gestalten individuell zu beleben, soweit es zu der bestimm-
ten Darstellung einer besonderen Handlung nöthig ist, seinen immer noch ziemlich
ähnlichen Köpfen den Ausdruck des Augenblicks zu verleihen, So sieht man doch
wie mächtig er gerungen, der überlieferten Form den Ausdruck einer lebendigen
Idee aufzuprägen, wie glücklich er manches grossartige und Würdevolle Motiv hervor-
gebracht. Diese YVerke sind es vornehmlich, die man als diejenigen zu betrachten
hat, welche einer freieren Kunst Bahn gebrochen. Die unteren Wandbilder des
Langhauses der Kirche mit 28 Darstellungen aus dem Leben des h. F ranciscus
werden von Einigen den Schülern des Cimabue, von Anderen dem Pm-ri di Spi-
nello zugeschrieben.
Ueber das Leben des Cimabue besitzen wir wenig beglaubigte Nachrichten und
es ist mit Vorsicht aufzunehmen, was uns Vasari von ihm erzählt. Nach diesem,
seinem Biographen, soll er in dem Kloster von S. Maria Novella in den Wissenschaften
unterrichtet, später aber, als der Trieb der Kunst in ihm erwacht und unwidersteh-
lich geworden war, griechischen Malern, die der damalige Befehlshaber der Stadt
nach Florenz berufen, in die Lehre gegeben worden sein. Durch unablässige Uebung