Volltext: A - E (Bd. 1)

Chodowiecky. 
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Ruhm gegründet war. Die Aufträge der Liebhaber und Buchhändler, selbst von 
auswärts, welche Zeichnungen von ihm verlangten, vermehrten sich derrnassen, 
dass er genöthigt war, die Miniaturmalerei aufzugeben. Im Jahr 1773 besuchte 
er seine Mutter in Danzig und machte die Reise dahin, wie alle seine späteren 
Reisen, zu Pferd, weil er das Fahren nicht ertragen konnte und um Alles, was 
ihm einigermassen interessant erschien, besser beobachten und sogleich in ein 
Skizzenbuch zeichnen zu können. Auf dieser Reise, sowie während seines neun- 
wöchigen Aufenthalts in Danzig führte er ein Tagebuch, das aus 108 Blättern mit 
Zeichnungen bestand, welche ein höchst lebendiges und wahres Bild der damaligen 
gesellschaftlichen Zustände Danzigs darbieten. Nach seiner Rückkehr nach Berlin 
fand er neue Aufträge von Lavater, für welchen er zu den physiognomischen Frag- 
menten viele Zeichnungen fertigte, auch mehrere Blätter in Kupfer ausfiihrte. Ueber- 
haupt breitete sich sein Ruf jetzt so aus, dass er den Bestellungen der Buchhändler 
auf Zeichnungen und Kupfer zu Büchern und Almanachen nur mittelst der ange- 
strengtesten Arbeit genügen konnte. Es gab aber auch nicht leicht einen iieissigeren 
und fertigeren Künstler als er war. Oft arbeitete er bis Morgens um zwei Uhr und 
schlief dann völlig angeklcidet ein, um, sobald er aufwachte, gleich wieder bei der 
Arbeit zu sein. Oft, wenn er von den Bestellern getrieben wurde, blieb ihm nichts 
übrig, als schnell zu arbeiten, und so brachte er manchmal in wenigen Tagen eine 
Platte zu Stande. Daher ist auch die Zahl von Malereien, Zeichnungen und radirten 
Blättern, welche Chodowiecky geliefert hat, zum Erstaunen gross. Das Verzeichniss 
seiner Blätter beläuft sich allein auf 950 Nummern und dabei sind bei den Kalender- 
kupfern immer 12 auf eine Nummer gerechnet. Dieses angestrengt-e Arbeiten, nament- 
lich das anhaltende Sitzen, übte denn freilich auch einen nachtheiligen Einfluss auf 
seine Gesundheit aus, so dass er in den letzten zwanzig Jahren seines Lebens an ge- 
schwollenen Füssen litt, übrigens dadurch sich nicht abhalten liess, seine gewohnten 
Gänge zu verrichten. Die Akademie der Künste in Berlin wählte ihn 1'764 zum 
Rektor, 1788 wurde er Vicedirektor und 1'797 wirklicher Direktor. Bis vier Wochen 
vor seinem Tode war er thätig und arbeitsam; dann überfiel ihn ein hitziges Fieber, 
woran er starb. Einer seiner Söhne und zugleich sein Schüler, Wilhelm (gest. 
1805 in Berlin), zeichnete und radirte ebenfalls, besass jedoch nicht die Talente 
des Vaters. 
Chodowiecky war ein genialer Künstler,  der seine ganze Ausbildung sich 
selber zu verdanken hatte. Dieser Mangel an Unterricht war zwar die Ur- 
Sache, dass gTössere Arbeiten, trotz aller treiflichen Einzelheiten, ausserhalb des 
Bereiches Seines Wirkens lagen, aber er hat dafür in seinen kleinen Blättern, 
womit er die literarischen Erzeugnisse seiner Zeit schmückte, eine um so grössere 
Vollendung erreicht. Die liebenswürdige Naivität und eine freie, geistreich cha- 
rakteristische Darstellung geben der Mehrzahl dieser Arbeiten ein höchst an- 
ziehendes Gepräge. Er schildert darin die Alfekte und Leidenschaften, die Tugenden 
und Laster, wie sie sich im Aeusseren des Menschen zu erkennen geben, und wie 
er sie mit feinem Scharfblick, dem weder im Edlen, noch im Niedrigen auch nur die 
leiseste Nuance entging, in seiner Umgebung beobachtete. Man hat ihn desshalb 
nicht mit Unrecht den Sittenmaler seiner Zeit genannt. Dabei findet sich in seinen 
Darstellungen weder etwas Gesuchtes, noch etwas Ueberüüssiges; eine Figur erklärt 
die andefe, und ist es nur eine einzelne, so spricht sich diese klar und verständig von 
selbst aus. Seine Zeichnungen sind mit zarten, abe1' festen und sichern Umrissen 
angegeben 7 und die Schatten leicht getuscht, aber bestimmt in jedem Theile. Seine 
Arbeiten in Emaille aus seiner ersten Zeit sind kleine Meisterwerke in der Vollendung, 
1'011 Leben, Anmuth und Heiterkeit. Auch seine Miniaturbildnisse haben dasselbe 
VfWÖiSHSiI, Sie Sind voll Natur und Charakter. WVas er in der Oelmalerei leistete, 
glng dagegen kaum über den Versuch hinaus. Dessen ungeachtet sprechen uns auch 
diese kleinen Gemälde, Familienscenen darstellend, durch ihre Wahrheit, die Feinheit 
der Naturbeobachtung, die grosse Lebendigkeit und das Gemüthliche der Darstellung 
ilberhßllPt ungemein an. Als Kupferstecher in kleinerem Format ist jedoch Chodo-
	        
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