Allegri,
gen,
Antonio ,
Correggio.
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zu jener stillen Heiterkeit und kindlichen Freude am Schönen, jener hinreissen-
den Iniiigkeit und Naivität mitgewirkt zu haben, und Je weniger seine unersohöpfiiche
Berufsfreudigkeit durch äussere glänzende Lebensverhältnisse abgezogen wurde, um
so entschiedener und herrlicher konnte die originelle Kraft seines Geistes sein Talent
in seiner vollen Eigenthümlichkeit herausbilden.
Anfangs in seiner Auffassung noch dem kirchlichen Ernst und der hohen
religiösen Begeisterung der Meister des 15. Jahrhunderts folgend, bildete er sich rasch
in einer Friihreife der Entwicklung, in der er selbst Raphael übertrifft, eine seiner
Subjectivität angemessenere, sie vollständig aussprecliende Kunstweise aus. Diese
beruhte auf einer ausserordentlichen Lebendigkeit der Empfindung, auf einer gestei-
gerten Erregtheit der Affekte, auf einer sinnlichgeistigen Gefühlsschwvelgerei, welche
in ihrer schwärinerischen Fröhlichkeit die Welt nur von ihrer heitern Seite auffasst
und wo der Schmerz sich ihrer beinächtigt, zugleich den Sieg über denselben feiert.
Es spricht sich darin eiipebenbürtig zur Reife gelangter Geist sinnlichen Entzückens,
ein überquellendes Gefühl des Lebens und des Genussglücks aus. In allen seinen
lebendigstbewegten Darstellungen gehören sie der christlichen oder der Profange-
schichte an, schildert er überall das feurig pulsirende, in allen Fibern aufgeregte
Leben, das Glück des Daseins mit allen seinen Episoden von Humor und Scherz, die
vollsten Entzückungen der Menschenbrust, die Wonne und süsse Lust der irdischen,
die beseligendste Inbrunst der himmlischen Liebe; er stellt die von Leidenschaften durcli-
wühlte Seele dar, aber der Triumph göttlicher Heiterkeit und Schönheit schwebt als
eine selige Beruhigung darüber, und besänftigt die TVogen der Empörung des tief-
"verwundeten Herzens.
Aus dieser Verschmelzung von Sinnenlust und geistiger Weihe, von lebhaftester
Erregtlieit der Affekte und Gefühlsseligkeit, gehen auch alle Eigenthümlichkeiten
seiner Werke in Wahl und Behandlung des Stoifs, in Anordnung, Charakteristik,
Ausdruck, Zeichnung, Beleuchtung und Colorit hervor. Da. sein Geist, losgelöst
von allem Hergebrachten, typisch Ueberlieferten, sich nur in dem vollen Reiz des
Glücks schönnienscliliclier Existenz gefiel, und daher das Erhabene im Angenehmen,
höhere Schönheit und YVürde in der Anmuth suchte, so war er mit seinem feinen
Gefühl für die schönen Gemiithsbewegungen und den Ausdruck lebensfrischer, heiterer
Sinnlichkeit vorzugsweise auf die Darstellung des Graziösen angewiesen, das er selbst
im tiefsten Ernst und grüssten Schmerz festhält. Eine einheitliche Grösse in der An-
ordnung entwickelt er selten und die dramatische Einheit in seinen Bildern besteht
meistens nur im Zusammenklingen aller Empfindungen in einen Ton der Wonne oder
des Schmerzes. In der Charakteristik geht er statt auf Grösse und Tiefe, auf Sanft-
heit und Milde , und im Ausdruck erscheint er oft bewundernswerth naiv, zuweilen,
namentlich in seinen Darstellungen der Liebe in Freude oder NVehmuth, wunderbar
lieblich und hinreissend reizend. Eine Entfaltung schöner Formen tritt in seinen
Werken im Ganzen nur wenig hervor, die Ilngestünie Hast in der Beweglichkeit sei-
ner Figuren steht damit im entschiedensten YViderspruch; nur in seinen jugendlichen
oder Kinderköpfen, überhaupt in seinen Gesichtern erreicht er meistens eine ent-
ziickende Schönheit. Dagegen herrscht in seinen WVerken ein anderes Element vor,
das in vollster Uebereinstiinmung mit den von seiner Subjcctivitiit dictirten, und nach
derselben darzustellenden Gegenständen stand, ja, daraus hel-vorging, und das er mit,
Yvllstcr Freiheit zu unerreichter Vollkommenheit ausbildete. Correggio wusste näm-
lich Licht und Schatten in die kleinstemnd feinsten Grade abzuinessen, so dass er
Jenes bis zum Sonnenglanz steigern kQ e, Ohne zu blenden, diesen ohne farblos"
Zufverdell, Zu gänzlicher farbiger Finsterniss, zum tiefsten Dunkel zu potenziren,
beide aber im wechselvollen Spiele , unter weiser Beniitzung der Reiiexe , zu jener
ätheämnissvüllßn tiefpoetischen Dämmerung des Helldunkels zu vermitteln im
fm e War, welches Jene wunderbare harmonische Ruhe über alle seine Werke aus-
Mlt gleicher Meisterschaft behandelte er die Farben, indem er ihre Ver-
aä klllsie unter einander und ihre Abstufungen so fein abwog und beniitzte, dass
e ne eneinander dem Auge ganz, kräftig und harmonisch erscheinen, während jede