Cartellier
Carucci.
293
hoher Adel der Erscheinung ist durchaus in allen seinen Gestaltungen ausgesprochen,
wenn sie auch zuweilen mehr oder minder den Anschein eines Entwurfs, als einer
bis in alle Einzelheiten empfundenen Ausführung haben. Carstens besass eine frucht-
bare und Wahrhaft dichterische Einbildungskraft, die sich vorzugsweise an Gegen-
ständen des griechischen Alterthums entzündet-c und nährte; biblische und christliche
Steife oder Scenen aus der Geschichte der Römer hat er nie zu Vorwürfen gewählt.
Mehr als andere verrathen daher diese seine TVerke ein wahres und tiefes Eindringen
in den Geist der alten YVelt. Er strebte vor Allem nach bedeutender Auffassung des
Gegenstandes und schönem Sinn des Ganzen, nach richtigem und lebendigem Aus-
druck der Idee, als der wesentlichsten Forderung an das Kunstwerk. In seinem Styl
der Zeichnung liegt eine ideale Grossheit, die, wenn sich auch der Einiiuss seiner
vorgenannten grossen Vorbilder nicht verkennen lässt, doch einen eigenthiimlichen
originellen Charakter trägt. Mangel an genügender Kennt-niss der Anatomie, der
Perspektive und an Fertigkeitäund Gewandtheit im Zeichnen nach dem Modell, das
er prinzipiell ganz verwarf, weil er es nicht ohne Nachtheil für seine Idee benützen
konnte , tragen zwar allerdings die Schuld, dass sich viele kleine Uniichtigkeiten in
seine Zeichnung eingeschlichen haben, auch brachte er es in _der Oelmalerei, aus
Mangel an gehörigem Studium und Uebung, nicht weit, obgleich er in seinen Aquarell-
malereien zeigte, dass es ihm keineswegs an Farbensinn fehlte. Dieser einzelnen
kleinen Mängeln aber unerachtet und trotz der heftigen Gegner, die er fand , wurde
Carstens dennoch der Begründer der neuern deutschen Malerei, indem er die Bahn
eröffnete, auf der fortan die grössten Künstler der deutschen Nation mit ungemeinen
Erfolgen fortwandeltenß ja sein Einiiuss ist bis auf die neueste Zeit noch nicht er-
loschen: Wächter, Koch, Schick, Genelli und Thorwaldsen, ja selbst Cor-
neliu s, der jüngste und gewaltigste unter ihnen, erhieltendurch ihn ihre Richtung.
Von Carstenis Compositionen befinden sich viele im Privatbesitz. Einige der
besten sind in England, mehrere in der Thorwaldsenschen Sammlungin Kopenhagen;
die grösste Anzahl trifft man jedoch in der grossherzoglichen Kunstsammlung zu
Weimar. Zu den schönsten unter den letzteren gehören: Homer, den versammelten
Griechen seine Gesänge vortragend (gest. v. E. Schäffer); die Zurückbringung des
entilohenen hlegapenthes, nach Lucian (gest. v. Jul. Thäter); Sokrates , der dem
Alcibiades in dcrSchlacht bei Potidäa das Leben rettet; Ganymed, vom Adler
Jupitefs emporgetragen; die Schlacht der Centauren und Lapit-hen; Oedipus in
Kolonos und Oedipus Tyrannus; die Ueberfahrt, nach Lucian; die Parzen; die Nacht
mit ihren Kindern; das Orakel des Amphiaraos; die Geburt des Lichts; Eteokles,
der in den Kampf eilt; Jason's Ankunft in Jolkos; Sokrates im Korbe; das Gast-
mahl u. w.
Literatur. Fernow, Leben des Künstlers Asmus Jakob Carstens. Leipzig 1806. Kugler, Hand-
bucli der Geschichte der Malerei. Plntner, Bunsen, Gerhard und Röstel, Beschreibung der
läilfinlidrwlvigrilile._Zeichnungen von Asmus Jakob Carstensl in der grossherzoglichen Kunstsammlung zu Weimar,
in Umrissen gestochen und herausgegeben von WzMuller. Mit Erläuterungen von Chr. Schuchardt.
Weimar und Leipzig. Les argonnutes selon Pindar, Orphäe et Apollonius de Rhödes en 24 planches
1nv. et dass. par A. J. Carstens et grav. par. J. Koch. Roms 1799,
Üa-Ttenier, Pierre, geb. zu Paris 1'757, gest. daselbst 1831, war ein seiner Zeit
sehr geschätzter Bildhauer, dessen Afbeitell Eleganz der Formen mit Charakter,
Ausdruck und sorgfältiger Ausführung verbinden. Er fertigte mehrere Porträt-
statuen, unter Anderem die des Kaisers Napoleon, des Generals Pichegru, LndwigXV"
der Kaiserin J osephine u. s. w.; auch mehrere allegorische Figuren und Reliefs, letz-
tere für die Colomlßde des Louvre, den Triumphbogen des Carrouselplatzes, die Fagade
des Hotels der Invaliden zu Paris. u. s. W.
Carucci, Jacopo, genannt Pontqrmo, nach seiner Vaterstadt, geb. 1493, war der
501111 eines mittelmäßigen Malers Bartolomeo, nach dessen Tod er zu Leonardo
da Villci in die Lehre kam. Er verlicss dessen Schule jedoch bald wieder und suchte
sich bei Marioüßü Albertinelli und Pier di Cosinio in der Malerei weiter aus-
zubilden, blieb bei diesen indessen abermals nicht lange, Sondern wählte sich 1512
den Andrea: del 531'110 Zum Lehrer, der ihn jedoch, aus Eifersucht über die höchst