Caracci, Antonio Marziale.
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Annibale hat auch radirt und in Kupfer gestochen. Man kennt von ihm 18
Blätter, die so verschiedenartig behandelt sind , dass man sie kaum einem und dem-
selben Künstler zuzuschreiben wagen würde. Dieser Umstand scheint indessen nur
für die Originalität ihres Urhebers, der sich durchaus nicht an eine bestimmte Manier
anschliessen wollte, zu sprechen, auch mag die Ungleichheit davon herrühren, dass
sie in verschiedenen Zeiten gefertigt wurden. Die von 1581-1582 gestochenen
Blätter, um welche Zeit Annibale 21 und 23 Jahre zählte, sind mit sorgfältigem
Stichel ausgeführt, und nähern sich denen seines Bruders, mit denen sie desshalb
auch lange Zeit verwechselt wurden. Später, von 1592 an, bediente er sich der
Radiernadel und wandte den Stichel nur zur Vollendung der Platten an. Bald sind
daher seine Blätter mit breiter Nadel radirt und fast ganz geätzt, bald mit feiner,
delikater Nadel ausgeführt und mit der trockenen Nadel und dem Stichel vollendet.
Das beste seiner Blätter ist: der todte Heiland auf dem Schosse der Maria oder der
sogenannte Christus von Caprarola (1597), ausgezeichnet durch den bewunderns-
werthen Ausdruck, die Feinheit der Zeichnung und die malerische Behandlung des
Stichs. Weitere treifliche Blätter von ihm sind: Jupiter, als Satyr, bei der schlafen-
den Antiope (1592); eine h. Familie (1590); die Madonna mit der Schaale (la Ma-
donna della scodella.) (1606); Susanna mit den beiden Alten (sehr selten); Maria
mit dem Kinde wird von einem Engel verehrt; Jesus mit der Dornenkrone (1606);
eine h. Familie, Johannes weint, weil ihm der kleine Heiland einen Vogel wegge-
nommen hat oder Maria mit der Schwalbe (la. Vierge s. Phirondelle) (1587). Er be-
zeichhete seine Blätter mit A. C., oder seinem latinisirten Namen.
Literatur. Siehe den Schluss des letzten Artikels über die Caracci.
Caracci, Antonio Marziale, ein natürlicher Sohn des A gostino, geb. 1583 zu
Venedig, widmete sich mit einem schönen Talente, unter der Leitung seines Vaters,
der ihn mit nach Rom genommen hatte, und nach dessen Abreise von dort und bald
darauf erfolgtem Tode, bei seinem Oheim Annibale der Kunst. Er arbeitete auch
anfänglich mit vielem Fleiss und Feuer und erreichte einen Grad der Ausbildung, der
grosse Hoffnungen erweckte; allein die schlimmen Rathschläge Lanfranco's, der
ihn verführte, sich als einen offenbaren und gefährlichen Feind des Domenichino
zu erklären, und die Einilüsterungen des Sisto Rosa Parmigiano, eines Schülers
des Annibale, der ihn überredete, mit ihm nach Bologna zu gehen und dort die
Schule der Caracci fortzusetzen, lenkten ihngar bald vom rechten Pfad ab. Er be-
gab sich mit ihm dahin, aber die Verbindung der beiden jungen Leute zu gemein-
schaftlichem Arbeiten dauerte nicht lange und Antonio malte nun allein mehrere
Bilder für Kirchen; einen h. Franz, wie er den Teufel überwindet, für Madonna di
San Colnmbano, eines der Wunder des h. Rosenkranzes, ein Frescobild u. s.w. Allein
die Unbeständigkeit seines Willens liess ihn auch hier nicht zum ruhigen Schaffen
kommen; er verachtete nicht nur die weisen Rathschläge seines Grossoheims Lo do-
vico, sondern stiess diesen auch durch vorgebliche Forderungen seines Vaters
Agostino an ihn so vor den Kopf, dass dieser sich gänzlich von ihm abwandte.
Antonio liess desshalb seine Mutter von Venedig kommen und begab sich mit ihr
nach Rom, wo er die Schule der Caracci, die durch den inzwischen erfolgten Tod
des Anllibale ganz verwaist war, wieder in's Leben rufen wollte. Es gelang ihm
811611 Gönner Zll ünden, welche ihm ihre fordernde Unterstützung zusagten, so lange
er die Künstlerbahn seiner berühmten Verwandten wandle. Er erwies sich auch
als würdigen Erben der Kunstweise seiner Vorfahren in mehreren Bildern, die ihm
vielfache Bestellungen eintrugen. So malte er in der Kapelle S. Gißva-Ilbßtistß der
Kirche S. Maria. in Trastevere eine Alt-artafel; in S. Bartolommeo all' Isola mehrere
Fresken aus der h. Geschichte und ein Oelbild, den knieenden, von einem Engel
unterstützten h. Karl Borromäus dargtellelld (gest. v. S. Bartoli)i über der Thüre
des Eingangs in die Katakomben bei der Kirche S. Sebastiano mehrere Heiligen; in
einem Zimmer des Palastes auf dem Montecavallo einen grossen Friess und verschie-
dene Verzierungen. In allen diesem Arbeiten sah man mit Freuden den anmuths-
vollen Styl des grossen Annibale wieder aufleben und man wäre zu grossen