274
Annibale.
Caracci ,
Diese von Annibale mit Hülfe seines Bruders und seiner Schüler D omenichino,
Lanfranco und Guido Reni ausgeführten Frescogemälde (gest. von Pietro Aquila
in 21 Blättern; von Carlo Cesio in 41 Blättern; von J. Belly in 52_Blättern),
zeigen die von den Caracci eingehaltene Kunstrichtung in ihrer vorziiglichsten Voll-
kommenheit. Von künstlerischer Seite aus sind sie der höchsten Bewunderung werth.
Schon die Technik des Fresco hat kein vollendeteres Vorbild aufzuweisen; dann ist
die Vertheilung an dem Gewölbe des grossen Saales so ausgezeichnet geistreich und
glücklich, dass sie in Beziehung auf malerische Anordnung nur von der Decke der
sixtinischen Kapelle, deren nackte Ausfüllungsfnguren, als belebte architektonische
Kräfte, hier in freier YVeise nachgeahmt sind, übertroffen wird. Die Zeichnung ist
überaus meisterhaft, namentlich im Nakten, und Modellirung, Farbe und Helldunkel
sind innerhalb der Grenzen seiner Kunstrichtung vollkommen zu nennen. Der Saal
soll, namentlich wenn man ihn mit Kerzen erhellt sieht, worauf seine Wirkung
berechnet ist, ein wahres YVunderwerk desColorits bilden.
Der Ruhm, dessen sich diese Bilder allenthalben zu erfreuen hatten, veranlasste
den Kardinal, den Künstler nun auch mit der Ausschmückung eines weiteren Saales
seines Palastes, in welchem die Thaten des Alessandro Farnese dargestellt werden
sollten, zu beauftragen; auch Wollte er durch Annibale die bereits , aber in schlech-
tem Styl, ausgemalte Kuppel der Kirche del Gesu mit neuen Gemälden verzieren
lassen, der schmählich geringe Preis von 500 Scudi aber, den der Kardinal auf An-
rathen eines spanischen Höflings für sämmtliche Malereien der Gallerie Farneso, das
ganze damals so hochgepriesene grosse Werk, dem Künstler ausbezahlen licss, beugte
denselben so nieder, dass sein schon von Natur zur Schwermuth geneigter Geist
beschloss, den Pinsel für immer niederzulegtenf Auf Zureden seiner Freunde liess
er sich jedoch später wieder bewegen, eine dem heil. Diego geweihte Kapelle in
S. Giacomo degli Spagnuoli in Gemeinschaft mit F. Alb ani, der nach seinen Cartons
arbeitete, mit Fresken zu schmücken. Seine Melancholie nahm abe1' so überhand und
wirkte so nachtheilig auf seine Gesundheit, dass ihm die Aerzte riethen, nach Neapel
zu reisen, um dieselbe dort wieder zu befestigen. Allein die Verfolgungen, die er
von den dortigen Malern auszustehen hatte , liessen ihn auch in dem neuen Aufent-
haltsort keine Ruhe. Plötzlich und ohne die für seine Gesundheit so gefährliche
Jahreszeit zu berücksichtigen, reisste er nach Rom zurück, wo er alsbald in ein
hitziges Fieber verfiel und binnen ganz kurzer Zeit im 49. Jahre seines Alters den
Geist aufgab. Er ward im Pantheon an der Seite Raphaefs beerdigt.
Bei allen Vorzügen und Verdiensten, bei aller Tüchtigkeit und allem Vortreff-
lichen und Vollkommenen, wodurch sich Annibale's Gemälde auszeichnen, fehlt ihnen
doch fast durchaus die ächte naive Begeisterung für den Gegenstand, das rechte
innerliche Leben. Nur in den Fällen, WO seine eigene Geistesart, sein gesunder, tüch-
tiger Natursinn hervortritt, entfaltet er die glücklichste Kraft und Frische. Auch
ist er ausser seinen Arbeiten im Fache der Ilistorienmalerei als einer der ersten zu
nennen, Welche die Landschaftsmalerei als eine selbstständige Gattung behandelten.
Fehlt seinen Landschaften auch noch der grossartige Reiz und die Farbengluth, in
welchen spätere Meister, z. B. Claude Lorrain excellirten, so zeichnen sie sich
doch durch die Grossheit und Schönheit der Linien und die stylgemässe Anwendung
der Architektur auf eine höchst bedeutungsvolle Weise allS.
Ausser den genannten Gemälden des Annibale Caracci rühmt man noch zu
Amsterdam in der neuen Moses- und Aaronskirche: eine Vision des h. Franciscus;
im Museum zu Berlin: Christus am Kreuz; Maria mit dem Kinde und dem h. Joseph;
die Apostel Paulus, Matthäus, Philippus und Jakobus in vier einzelnen Gemälden
und eine sehr poetische Landschaft; in der Pinakothek zu Bologna, ausser denß
bereits angeführten: Madonna in der Glorie mit Heiligen; in der Gallerie zu Dres den:
den Genius des Ruhms (lith. von Hanfstängl); Maria mit dem Kinde auf dem Throne
und den h. h. Matthäus, Franciscus und Johannes (lith. von Hanfstängl); das Brust-
blld eines Malers; Porträt des die Laute spielenden Mascarone; die Himmelfahrt der
Jungfrau Maria; Maria mit dem Kinde, dem der kleine Johannes eine Schwalbe reicht;