Canova.
263
alle Ehren, alle Dekorationen, alle Titel, alle Einkünfte, die sich der Ehrgeiz eines
Künstlers von der Freigebigkeit der Fürsten nur wünschen kann , zu Theil. Er war
zum Marchese , zum Ritter vom goldenen Sporn , zum Fürsten der Akademie von S.
Luca, zum Präsidenten oder Mitglied von zwanzig Akademien ernannt worden. Man
hat Medaillen zu seiner Ehre geschlagen und eine Menge Städte haben ihm-ihr
Bürgerrecht geschenkt. Er hat vom Prinz-Regenten von England eine mit Brillanten
reich besetzte goldene Dose, andere Gnadengeschenke von allen Mächten des
Nordens erhalten. Wenn er aber auch diese Erfolge zum Theil dem Umstande zu
verdanken haben mochte, dass er keinem Menschen die Ehren seines Meisels ver-
weigerte: Usurpatoren , wie legitimen Majestäten , und Murat , König Ferdinand IV.
(in den Studj zu Neapel), die Erzherzoge von Florenz, den Vicekönig von Italien,
den Prinz-Regenten von England, die letzten Stuarte , Madame Lätitia, eine Tochter
Marien Theresiens, den Papst und Napoleon u. alle die Gestalten, die am poli-
tischen Horizont vorüberzogen , gemüthsruhig darstellte , so darf ebenfalls nicht ver-
schwiegen werden, dass er einen grossen Theil seines Reichthums auf die Unter-
stützung des Unglücks und auf die Aufmunterung der Künste verwandte. Er ver-
schaffte in Rom einer beträchtlichen Anzahl von Familien Unterhalt, schenkte be-
stimmte Summen alljährlich den Hospitälern, liess einen Theil seiner glänzenden
Einkünfte den Zöglingen der Akademie zuiiiessen, stiftete Preise, setzte Summen
für gewisse archäologische Stiftungen aus, und dürftige Künstler erfreuten sich in
seiner Person eines freigebigen Beschützers und Trösters.
Ausser den bereits erwähnten Werken Canova's verdienen noch folgende seiner
Hauptarbeiten angeführt zu werden: die siegende Venus, auf dem Ruhebette liegend
und einen Apfel in der Hand haltend, in der Villa Borghese zu Rom (der Kopf soll
Porträt der Prinzessin Pauline Borghese sein); eine Nachbildung der Mediceischen
Venus (im Pal. Pitti zu Florenz); eine andere dem Bade entsteigende Venus, im
Charakter und Haltung der mediceischen, im Adel der Formen und in der Lauterkeit
der Arbeit eines der vorzüglichsten Meisterwerke der neueren Sculptur (in der Gal-
lerie des Marquis von Landsdowne in London); eine dritte Venus des "Meisters be-
findet sich in der Glyptothek zu München; eine vierte hat Canova in den Händen
des Banquier Thomas Hope gelassen; eine Nymphe, auf dem Löwenfell ruhend und
dem Leyerspiel eines Amorin zuhorchend, eine höchst anmuthige Figur von zarter
Vollendung (für den verstorbenen König von England ausgeführt und nach dessen
Hinscheiden vom Marquis von Landsdowne erstanden); die drei Grazien, eines der
gerühmtesten YVerke des Meisters, von dem sich ein Exemplar in der Sculpturen-
gallerie des Herzogs von Bedford in Woburn-Abbey, ein anderes in der Leuchten-
berg'schen Gallerie befindet. Die Idee zu diesem Werk war dem Künstler von der
Kaiserin Josephine angegeben worden, auch war das erstgenannte Exemplar für sie
bestimmt. Die Arbeit war aber als sie starb (im Jahr 1814) noch nicht vollendet
und so verkaufte sie der Künstler an den genannten englischen Herzog. So grossen
Reiz aber auch die glückliche Zusammenstellung, die zarte meisterhafte Vollendung
der Arbeit in dieser Gruppe hervorbringt, S0 ist doch die Bildung der Köpfe etwas
zu einformig und süsslich und das Knochengerüste der Glieder, um welche das weiche
Fleisch gewoben ist, zu wenig angedeutet. Ferner: die geflügelte Bildsäule des
Friedens (für den Kanzler Romanzoff in Petersburg ausgeführt), eine hübsche Ge-
wandstatue; die Concordia, unter dem Bildniss der Kaiserin Marie Louise, eine
sitzende Statue mit Scepter und Opfersßhale; Paris, lebensgrosse Statue (in der
Glyptothek Zu München, eine der ausgezeichnetsten Arbeiten des Meisters; Theseus
mit dem erlegten Minotaurus (im BeSitZ des Marquis von Londonderry zu London);
die sitzende Statue Washingtons" im römischen Gewande und wie es scheint in dem
Augenblicke dargestellt, in Welchem er seine letzte Botschaft an die Versammlung der
Vereinigten Staaten aufzeichnet. Diese Statue im Jahr 1820 vollendet, wurde im
Staatspalaste zu Raleigh, der Hauptstadt von Nord-Carolina aufgestellt, ging aber
Während eines Brandes des Gebäudes zu Grunde. Dann: die Statue des Marchese Poleni
' Abgebildet in den Denkmälern der Kunst. Atlas zu Kuglers Handb. der Kunstgesch. Taf. 103, FigJ.