Calvart.
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und der Insel Re abzubilden und durch den Stich zu vervielfältigen, Blätter, die zu
den iigurenreichsten gehören, die er in Nancy ansführte. Die Einnahme seiner
Vaterstadt, durch die königl. Waffen , auf gleiche TVeise zu stechen, lehnte er aber
auf's Entschiedenste ab, da er seine Kunst nicht gegen den Ruhm seines Fürsten und
seiner Landsleute gebrauchen wollte. Ja, er schlug das Anerbieten, gegen einen
Jahresgehalt von 3000 Livres in französische Dienste zu treten, aus, und entschloss
sich, als seine Vaterstadt Frankreich einverleibt wurde, lieber mit seiner Gattin nach
Florenz auszuwandern. Er starb aber während der Vorbereitungen zu seiner Abreise.
In Beziehung auf malerische Technik nimmt Callot zwar eine untergeordnetere
Stelle ein, indem er nur selten in Oel gemalt und desshalb auch die Bilder, welche
man ihm z. B. in der Akademie von Venedig, im PaLPitti zu Florenz, in den Gallerien
zu Dresden und Wien u. s.w. zuschreibt, von keinem besonderen Kunstwerthe sind;
allein seine Leistungen als Kupferstecher, seine Blätter von eigener Erfindung, sind
von einer Originalität und Frische des Geistes, von einer so bewundernswürdigen
Wahrheit und Treue, dass sie in ihrer Art einzig in der Kunstgeschichte dastehen.
Sie stellen theils Scenen aus der biblischen Geschichte und Legende, die jedoch
weniger glücklich und mehr manieristisch behandelt sind, theils Begebenheiten aus
der Zeitgeschichte, Scenen aus dem Leben des Tags, Hof- und Volksfeste, Belagerungen,
Schlachten, kriegerische Umgebungen, Costümbilder u. dgl. dar, und zeichnen sich sämmt-
lich durch die lebendigste Energie und eine höchst geistreiche und poetische WVeise der
Anschauung und Auffassung und die ergreifende Schilderung der geheimsten Regun-
gen der menschlichen Seele aus. So gehören namentlich die nach seiner Rückkehr
aus den Lagern von Breda und Rochelle ausgeführten, unter dem Titel: Miseres de la
guerre erschienenen Blätter zu seinen vorzüglichsten Meisterwerken. Noch andere
Darstellungen, die meistens dem Gebiete der italienischen Maskenkomödie entnommen
sind, und festliche Aufzüge in fabelhaftem Pomp, Tänze und novellistische Scenen
enthalten, sind voll von lahantastischem Humor, lustigster Komik und unerschöpflicher
Laune, durch die sich hin und wieder, bei aller unverwischlichen Gemiithlichkeit,
gar mancher Spott, viele bittre Ironie, ja. sogar etwas Gespenster- und Dämonen-
haftes zieht.
Callot brachte die Kunst, den Gedanken in freien und geistreichen Radirungen
zum unmittelbarsten Ausdruck zu bringen , in Frankreich auf eine Höhe, wie sie vor
und nach ihm nicht wieder erreicht worden ist. Seine Blätter lassen zwar in Com-
Position, Anordnung, Vertheilung des Lichts Manches zu wünschen übrig, sind da-
gegen in allem Einzelnen vortrefflich. Die Gruppen sind mannigfaltig und lebendig,
die Stellungen seiner Figuren gefällig, der Ausdruck ist charakteristisch und höchst
prägnant und die Ausführung verräth die Sicherheit und Leichtigkeit einer Meister-
hand. Sie sind meistens auf harten Firniss radirt, eine von ihm zuerst angewandte
eigent-hümliche Art. Man schätzt ihre Anzahl auf gegen 1400 und zählt darunter,
zu den vorzüglichsten: die Strafen der Missetihäter auf einem ödentlichen Platze
"Supplicium sceleri frenum"; den grossen Markt bei dem Bilde der Madonna del
Imprunetta, (1629); die Versuchung des heil. Antonius (1635); den heil. Nicolaus,
ill einem Walde predigend; die Wunder des heil. Manseretus, Welcher einen
durch einen Ball getödteten Prinzen zum Leben zurückbringt (1610); das Feuer-
werk auf dem Arno zu Florenz, gewöhnlich der Fächer genannt (1619); 25
Blätter! die Bettler; die (genannten) grossen Miseres de la guerre (1633) in 18
Blättern; die kleinen Miseres de la guerre (1636) in 8 Blättern; le Parterre de
Nancy mit den Ballonspielern (1625); le Jardin de Nancy; die Ansicht des Louvre;
die Ansicht des Pontneuf; der Kindermord; der kleine Priester; die Belagerung von
Breda; Claudius Drevet; Carl de Lorme (1632); Johann Dominicus Peri. Einige seiner
Blätter haben das Zeichen A. J. C., andere das nebenstehende Monogramm. Sein
Porträt befindet sich unter den Bildnissen der berühmtesten Maler in den Uflizien zu
Florenz. Das Museo iiorentino enthält dasselbe im Stich.
Literatur. M. E. Meaume, Recherchen sur 1a Vie et los Ouvmge de J. Callot. Nancy 1853.
Calvart, Dionysius, Historien- und Landschaftsmaler, geb. um 1545 zu Antwerpen,