Paolo.
Caliaü ,
241
1572, gest. 1596, ein Schüler seines Vaters und des Jacopo Bassano, der bekann-
teste. Er führte, obgleich er sehr jung starb, viele Werke aus, die zwar denen seines
Vaters, in dessen Styl er arbeitete, lange nicht gleichkommen, die desshalbaber
nichts weniger als unbedeutend genannt werden können. Bilder von ihm sieht man,
im Museum zu Berlin: eine Darstellung Christi; in der Gallerie zu Dresden:
eine Allegorie auf die Uebergabe der Krone von Cypern; eine heil. Familie; die
Taufe Christi; einige Bilder im Dogenpalast zu Venedig; den h. Augustin, Bischof
von Hippon , die Regeln des von ihm gestifteten Ordens bestimmend, in der Gallerie
des Belvedere zu Wien. Ein zweiter Sohn Paolds: Gabrielle, der ebenfalls
Maler war, geb. 1568, gest. 1631, gab nach dem Tode seines Onkels und seines
Bruders die Kunst auf und betrieb einen Kunsthandel.
Parrasio Michele, Luigi Benfatto, gen. dal Friso, ein Neffe des Paolo
Veronese , Maffeo Verona, Schwiegersohn des Luigi Benfatto , Michel-
angiolo Aliprando, Francesco Monternezzano, Sigismondo Scarsella
und Battista Z ellotti sind die vorzüglichsten der Schüler und Nachahmer des
Paolo Caliari.
Paolds erstaunlich grosser künstlerischer Tbätigkeit ist es insbesondere zuzu-
schreiben, dass in einer Zeit, wo alle Schulen der grossen italienischen Meister
der ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts bereits in tiefsten Verfall gerathen
waren, die venetianische durch die Unerschöpflichkeit des Naturalismus, dem sie nach
seinem und seiner Vorgänger Vorbild huldigte , und die Reize des Colorits, mit wel-.
chen sie darzustellen wusste, sich noch länger erhielt. In ihm concentrirte sich näm-
lich jene längst angebahnte Kunstrichtung, welche, von dem geistigen Gehalt und.
der traditionellen Weise in der Darstellung der kirchlichen , wie der mythologischen
Gegenstände gänzlich abgehend, die Ereignisse aus dem Himmel auf die Erde, aus
der Vergangenheit in die Gegenwart versetzte und sie deren Gesetzen, bis sogar auf
die äusserlichen der Mode unterwarf. Sein heiterer froher lebenskräftiger Sinn fand
den Hauptgegenstand seiner künstlerischen Begeisterung in der Schönheit und Pracht-
der Erscheinung des äusseren Lebens, wie sich dieses zur Zeit der Blüthe des reichen
und stattlichen Venedigs gestaltet hatte und bei grosseu Festlichkeiten am mannig-
faltigsten und pomphaftesten entfaltete. In solche Umgebung, in das venetianische
Leben seiner Zeit mit seinen malerischen Trachten, seinen stattlichen Bauwerken,
verlegte er desshalb alle (la-rzustellenden Begebenheiten. Er wählte daher vorzugs-
weise solche Gegenstände aus der Geschichte, der Mythologie, aus dem Gebiet-e der
Allegorieen (worin seine Zeit ganz unersättlich war) , aus der Bibel, aus dem Leben,
wo nur alle erdenkliche irdische Pracht anzubringen war, festliche Aufzüge, bunte
(Zeremonien , rauschende Gastmähler, und WO ihm der Stoff zur Darstellung gegeben
war, wusste er ihm immer eine solche festlich heitere glänzende Seite abzugewinnen,
ihn überhaupt immerdar auf eine ebenso hinreissend wahre, als heitere poetische
WeiSe, in eine theils prunkhaft, theils anmuthig sinnliche Wirklichkeit umzudichten,
und dadurch dem Verständniss und der Bewunderung seiner Zeitgenossen näher zu
rücken. Er fasste die Natur mit voller freier Unmittelbarkeit auf, aber gehoben und
getragen V01! jener klassischen Grösse des Sinns, welche von seinen Vorgängern, den
früheren grossen Meistern der Schule begründet war. Seine Gestalten, edle und kräf-
tige Menschen, haben sich in einem erhöhten Moment des Daseyns und zugleich in
höchster [Fnbefangenheit der Existenz, im vollsten Genuss alles dessen, was die Erde.
Schön Illßßllt und in freudigst erregter Stllllnlllng des Gefühls zusammengefunden.
Ausser seinen sogenannten sante conversazioni, in welchen die Heiligen aus dem
Himmel niedersteigen und mit den Irdischen gemüthlich verkehren; ausser seinen
k i r c h l i c h e n G e m a1 d e n , in denen nicht selten an die Stelle des religiösen.
InteTeSSeS das Bild heiterer und weltlicher Pracht und frohen Humors tritt; ausser
seinen erzählenden Bildern, bei denen freilich oft, trotz mancher edlen drama-
tischen Gedanken, die ung-gnüg-ende Entwicklung der Figuren sich bis zur Unver-
ständlichkeit steigert, sind es daher namentlich seine Gastmähler, verschiedene.
für die Refektorien reicher Klöster in kolossalen Dimensionen gemalte Mahlzeiten,
Müller, Künstler-Lexikon. 16