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Caldara.
mit ihm selbst in gemeinsam ausgeführten Werken zu wetteifern, und Raphael ihn
ebenfalls bei seinen Arbeiten in den Sälen des Vatikansmit Erfolg zu verwenden
im Stande war. Gemeinschaftlich mit Maturino schmückte er nun zu Rom die
Aussenseiten einer grossen Menge von Palästen mit Malereien allo sgralüto, d. h. mit
ausgeführten Zeichnungen , die mit spitzen Eisen auf einem hellen, über einen
dunkeln Grund gezogenen Uebergusse so eingeritzt wurden, dass in den Strichen
die dunklere Farbe wieder hervortrat. Sie bestanden meistens in Friesen mit Gegen-
ständen aus der Mythe, für die er die gründlichsten Studien nach allen in Rom be-
findlichen antiken Bildwerken machte. Für Raphael malte er die Mcnochrome
unter den Bildern der Schule von Athen, der Disputa und des Parnasses. Nach der
Plünderung Roms, im Jahr 1527, zog er nach Neapel, Wo ihn sein früherer Mit-
schüler, Andrea da Salerno, in sein Haus aufnahm und er viele Schüler um sich
sammelte, unter denen man hauptsächlich Gian-Bernardo Lama, und Marco
Cardisco , genannt C alabrese, nennt. Er malte daselbst viele Wand- und Decken-
gemälde, auch einige Oelbilder, wandte sich aber später nach Messina, wo er eine
neue und blühende Malerschule gründete, aus der u. A. Deodato Guidaccia,
Jacopo Vignerio, Alfonso Lazzaro, Mariano Riccio und sein Sohn: Anto-
nello, und Stefano Giordano hervorgingen. Seine dortige Thätigkeit war sehr
umfassend und verschaffte ihm ebensoviel Ruhm und Lohn, allein eine unüberwind-
liche Sehnsucht trieb ihn nach Rom zurück. Er erhob desshalb sein Geld, das er
bei der Bank stehen hatte. Diess erweckte die sträfliche Begierde eines seiner
Schüler, des Tonno Calabrese, desselben, den er noch vordem in einem Bilde in
S. Andrea abgemalt hatte, der ihn in der Nacht vor der beabsichtigten Abreise er-
rnordcte und beraubte. Diess geschah im Jahr 1543.
Caldarafs Bilder allo sgrailito sind, mit Ausnahme einiger Reste am Pal.
Ricci (gest. v. Vischer 1594), an der goldenen Maske zu Rom (letztere in Darstel-
lungen aus der Fabel der Niobe bestehend und zu seinen ausgezeichnetsten YVerken
gehörend) u. s. w., beinahe sämmtlich zu Grund gegangen, dagegen besitzen wir von
ihnen durch den Kupferstich viele Nachbilder, in denen uns der Ruhm und das Ver-
dienst seiner Kunst erhalten ist. In denselben erscheint er unter allen Meistern
des 1G. Jahrhunderts, selbst Giulio Romano nicht ausgenommen, als derjenige
Meister, der am besten in den Geist eingegangen, mit welchem Raphael die Antike
aufgefasst. Mit grossartiger Freiheit wusste er das Studium derselben in einer
Menge der geistreichsten Compositiouen auf die malerische Darstellung anzuwenden
und in der dadurch genährten frischen Kraft sich frei zu erhalten von der Manier,
welcher -die Schule Raphaels später erlag. Die Zeichnung seiner Gestalten ist von
grosser Schönheit und in den Bewegungen ist er gleich wahr, frei und anmuthig.
Auch in einigen Wenigen Staffe-leibildern Polidoros aus dieser Zeit, wie z.B. einer
Scene aus dem Mythus der Psyche im Louvre zu Paris, erkennt man in den treff-
lichen Motiven und edlen Formen noch einen schönen Nachklang raphaelischen
Geistes. Später erst, in seinen in Neapel und Messina ausgeführten Bildern, schlägt
sein Styl in einen grellen und widrigen Naturalismus um, in welchem wir wohl die ur-
sprüngliche, nur bisher durch edle Vorbilder zurückgedrängte Eig-enthümlichkeit des
Künstlers zu erkennen haben. Aber selbst in der Darstellung der gemeinen Natur
offenbart er Leben und Leidenschaft und jene zwingende Kraft, welche eine ganze
Kunstrichtung bestimmen konnte. Sie bildete den Grundeharakter der späteren nea-
politanischen Schule. Sein Hauptbild, die in Messina gemalte Kreuztragung Christi,
eine höchst lebendige und trotz der durchaus unedlen Formen ergreifende Composition,
befindet sich jetzt, nebst einer Anzahl kleinerer Bilder aus der heiL Geschichte; eine;
Geburt Christi, einer Ausgiessung des heil. Geistes u. in den Studj zu Neapel.
In seinen Oelgemälden, die sehr selten und fast nur in Neapel, woselbst. man in S.
Elmo ein Altargemälde, eineS Seiner besten Bildßl", sieht und in Sicilien anzutrelfen
Sind, herrscht ein schwerer brauner Ton und fast alle machen den Eindruck wie Ge-
mälde in einer Farbe, in welcher Kunstweise er, wie erwähnt, früher zu Rom bei-
nahe ausschliesslich gearbeitet hatte. In Deutschland bewahrt von ihnen das Museum