Buonarotti ,
Michelangelo.
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die man wieder vielleicht bei keinem andern Künstler findet. Auch im Colorit, ob-
gleich er bei seinem vorherrschend plastischen Sinne die Malerei gewissermassen auf das
Princip der Sculptur beschränkte, erscheint er nichts weniger als unbedeutend. Seine
Fleischfarbe ist wahr und ungemein kräftig, einfach, ohne eintönig zu werden, und
in den Farben seiner Gewänder herrscht ein schöner Sinn und eine sehr harmonische
Zusammenstellung. Namentlich a.ber ist er in der Rundung und Modellirung der
Gegenstände unübertreiflich. Sie sind in den Massen von Licht und Schatten nicht
minder grossartig, als in den Formen und daher auch für den Sinn durch mächtige
Wirkung ergreifend.
Aber nicht nur als Künstler, auch als Mann war Michelangelo eine bedeutende
Grösse. In einer durch vielseitige Thatkraft hervorragenden Zeit geboren, sah er
Italiens letzte glückliche Tage; wetteifernd mit den grossen Geistern, welche das
zu Ende eilende fünfzehnte Jahrhundert entweder schon gereift oder erst heran-
blühend hinterliess in seiner Jugend Nebenbuhler des älteren Leonardo da
Vinci, in späteren Jahren des begünstigten Raphael überlebte er die meisten
derselben. Eine ganze Reihe von Päpsten, die alle seiner bedurften und ihn be-
schäftigten, gingen an ihm vorüber und er stand jedem von ihnen mit all der Selbst-
standigkeit eines innerlich abgeschlossenen Charakters und mit dem edlen Stolze
des wahren Künstlers gegenüber. Seinem Vaterlande treu und mit inniger Liebe
anhängend, suchte er es mit eigener Aufopferung zu retten in seiner grössten Gefahr
und verbannte sich freiwillig auf immer, als es seine Freiheit unwiderbringlich ver-
loren hatte. Keine auch noch so dringende und ehrende Einladung von Cosimol.
vermochten ihn, trotz aller Dankbarkeit, die er dem Hause Medici schuldete, zur
Rückkehr in das unterdrückte Florenz zu bewegen. Er wollte sich den Schmerz er-
sparen, Zeuge der ldort vorgegangenen Umwandlungen zu sein erst als Leiche
kehrte er in seine Vaterstadt zurück. In seinem Charakter vereinigte sich mit einer
herben und strengen Grösse eine gewisse WVeichheit der Empündung auf das Wunder-
barste. Jene zeigte sich in der Kunst als Gewaltigkeit in der Conception, als Kühn-
heit und überraschende Sicherheit in der Ausführung; diese spricht auf's Ueber-
zeu endste aus seinen herrlichen, nicht selten Dantzäschen Geist athmenden Gedichten,
die gman mit richtigem Gefühl, als das Weibliche in seinem Charakter bezeichnet
hat. Kummer und Schmerz verfolgten ihn während seines langen Lebens bis in sein
hohes Alter hinein. Das Monument des Papstes Julius II. war das Kreuz und Leiden
seiner Mannesjahre gewesen, der Dom von S. Peter wurde die Sorge und Plage seines
Greisenalters. Rührend war seine Liebe zu einer der reinsten und edelsten Frauen
ihrer Zeit, zu Vittoria Colonna, der Wittwe des Marchese von Pescara. Diese edle
Leidenschaft bekundete sich bei Michelangelo, der bereits 62 Jahre zählte, als er die
Marchese kennen lernte, in zahlreichen Dichtungen, die er ihr widmete und die
jene vollständige WViedergeburt schildern, welche die Liebe immer im Menschen
bekvirkt, von Vittoria's Seite durch die vielen Besuche, welche sie dem einsamen
FTßüllde in seiner Abgeschlossenheit abstattete. Welcher Art dieses schöne Ver-
hälüliSS gewesen sein mag, geht wohl am besten aus der Bitte der Marchese in einem
der Zahlreichen Briefe an ihren Freund hervor: er möchte doch nicht so häufig
Sonnette an sie richten, indem es sie sonst hindern würde, ihre Morgenandacht zu
Wrrltfhtell. und aus der Aeusserung Michelangelds gegen einen seiner Schiller nach
dem 11m fast der Verzweiflung nahe bringenden Tode der Freundin: es thäte ihm
11561155 S0 185d, als dass er Vittoria, als er sie auf dem Sterbebette gesehen, nur die
Hand Lfnd nlfiht auch die Stirne oder das Antlitz geküsst habe.
E1119 eigentliche Schule hat Michelangelo nicht gebildet. Unter denjenigen
Künstlernawelche sich ihm theils anschlossen, denen er Lehre und Winke gab, oder
5219115 ullmlttelbar seine Entwürfe ausführten, nennt man als Maler: Marcello
xcnusfl, Sebastiano del Piombo, Giorgio Vasari, Antonio Mini,
läscanm c.ondlvl_ da Ripa Transone und Giacomo del Duca; als Bildhauer:
Gnom Aug Pogglbonzß, genannt Montorsoli und Raphael da Montelupo.
Allsser den bereits angeführten Sculpturen existiren nur wenige, die als mit