Buonarotti ,
Michelangelo.
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dritten Tage nach seinem Tode war die Todtenfeier in der Kirche der heil. Apostel,
wo ihm der Papst ein Denk- und Grabmal erbauen lassen wollte. Ganz Rom war
zusammengeströmt und bezeugte seinen Kummer über den unersetzlichen Verlust.
Nach vierzehn Tagen aber brachte Michelangelds Neffe, Leonardo Buonarotti die
Leiche seines Oheims heimlich nach Florenz, wo sie, nach einer ihm von der Akademie
der Künstler zu Florenz in S. Lorenzo daselbst veranstalteten, ebenso sinnreichen,
als prachtvollen Todtenfeier, in seiner Familiengruft in S. Croce neben den Gebeinen
seines Vaters beigesetzt wurde. Spät-er liess ihm sein Nelfe ebendaselbst ein gross-
artiges Denkmal mit der Büste des Meisters von Battista Lorenzi und den drei
Statuen: der Malerei, von demselben, der Scnlptur, von Valerio Cioli und der
Architektur, von Giovanni dell' Opera, errichten.
Michelangelds Porträt wurde sowohl von Bugiardini, als von Jacopo del
Conte in Farben ausgeführt. Ein erhabenes Bronzerelief von ihm arbeitete Daniele
Ricciarelli und der Cavaliere Lione fertigte eine Medaille, die in vielen Copien
weit verbreitet wurde.
Michelangelo Buonarotti, der zugleich Architekt, Bildhauer und Maler und
in allen diesen drei Künsten ein hochbedeutender Meister war, der, gleich Leo-
nardo da Vinoi, den Beginn der Blüthe der neuern Kunst einleitete, jedoch
noch ihren Verfall mit erleben musste, bildet eine in ihrer Art ganz einzige
hervorragende Erscheinung in der Kunstgeschichte. Seine YVerke bezeichnen die
lichtesten Höhepunkte der Kunst. Gleich den Antiken haben sie ihr inneres Ge-
nügen und ihre Befriedigung, aber zugleich wieder ein so eigenthümliches, hoch-
gewaltiges Gepräge, wie wir es bei keinem andern Meister vor und nach ihm be-
merken. Er entfernt sich in ihnen von allem Typischüberlieferten, und schafft sich
eine eigene Welt aus Gestalten von übermenschlichcr Grösse und llrlacht. Das Er-
habene ist daher durchaus vorherrschend der Charakter seiner Kunst. Dagegen
blieben ihm ganze grosse, der höchsten künstlerischen Verklärung fähige Sphären
des Daseins, die Schilderung der schönsten Regungen der menschlichen Seele, die
reiche Welt des Gemüths, verschlossen. Auch die Schönheit des menschlichen Körpers
und Angesichts kommt bei ihm nur im Gewande der Gewaltigkeit und Mächtigkeit
zum Vorschein; es liegt ihm mehr daran, seine Gestalten der höchsten Lebens-
äusserungen fähig als reizend darzustellen, obgleich auch ihnen nicht selten eine
hohe ernste Anmuth innewohnt. Grandios aber und seinem Streben nach Bildung
des Ausserordentlichen, Erhabenen und Wunderbare-n gemäss, erscheint er in der
Darstellung der Form, im Styl. Und zu solch eminenter Höhe, zu einer Meisterschaft,
die ihm vielleicht in einem noch höheren Grade als Itaphael, obgleich minder viel-
seitig, eigen war, gelangte er, ohne dass man weder Beziehungen zu seinen künst-
lerischen Vorgängern und Zeitgenossen oder Lehrer entdecken kann, noch Vorstufen
bemerkt.
Indessen hat er nicht in sämmtlichen drei Künsten , die er geübt, dieselbehohe
Vollendung erreicht. In der Baukunst erscheint er unstreitig am schwächsten, die
Scullfillr betrachtete er selbst als seinen eigenthümlichen Beruf, die reichsten und
herrlichsten Erzeugnisse seines Geistes über legte er in seinen Malereien nieder.
Michelangelo hat sich nicht zur Architektur gedrängt, auch begann seine bau-
llßhe Wlfkßamkeit verhältnissmässig Spät; Seine gewaltige Formenbehandlung in der
SCulPtur und Malerei brachte die Bauherren von selbst darauf, sich von ihm Entwürfe
für Gebäude machen zu lassen, Auch in der Baukunst war er, obgleich er bedeutende
Vorgängel: hatte, sein eigener Lehrer und Schüler. Seine gewaltige Schöpfungs-
kraft, Festigkeit des Willens, Leichtigkeit im Ausführen, vertraten bereits bei seinen
erste" Arbelten die Stelle der Erfahrung. Schon in den früheren Jahren seines
Aufäntllaßliß iIl Rom beurtheilte er richtig die Fehler Bramante7s und in der Be-
festlgungskunst zeigte er sich, als es Noth that, sehr geübt, ohne dass man wusste,
WOfr die Uebunfä ellßngt hatte. Aber es scheint, als ob er nur mit Ungeduld und
Sffallben Öle Gesetze und Regeln ertragen hätte, welche bei der Architektur genauer
a S de" andern Künsten bestimmt sind. Im Gegensatze gegen die früheren Meister