Michelangelo.
Buonarotti ,
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nackten Armen, dem bis zum Nabel niederwallenden Barte, gewährt den Anblick
eines über die gewöhnliche Menschheit erhabenen Wesens, ents rechend "enem
grossen Führer des auserwählten Volk Gottes, dem Gott nicht inPder Gestalt der
Liebe, sondern im feurigen Busche, mit der Strenge seiner Gesetze erschien, Das
Antlitz ist von hoher Schönheit und alle nackten Körpertlieile sind ihrer riesigen
Bildung und Bewegung geniäss charakteristisch belebt. Das Gewand hat, einen
schönen YVurf und die Behandlung, besonders des Barts, dem die alte Kunst nichts
Aehnliches an die Seite stellen kann, ist bewundernswiirdig. Doch ist ein gewisses
Hasclien nach Effekt darin nicht zu verkennen. Zu beiden Seiten des Moses stehen
Lea und Bahel, nach der von Dante angewandten Allegorie in der Bedeutung des
thätigen und beschaulichen Lebens.
Nach Beendigung der Gemälde in den beiden Kapellen des Vatikans führte
Michelangelo, da er nicht mehr malen, sein Geist aber nicht unthätig bleiben konnte,
eine Kreuzabnahme in vier über lebensgrossen Figuren aus, die aber unvollendet blieb
und ein ziemlich unerquickliches WE-rk genannt werden muss (gegenw. hinter dem
Hauptaltar im Dome zu Florenz). In diese Zeit dürfte übrigens auch das vortreif-
liche Bildniss Paul Ill. fallen, das, auf's Vollendetste in Marmor ausgeführt, iiu königl.
Museum zu Neapel aufbewahrt wird. Endlich sorgte Michelangelo eigenhändig für
sein Grabdenkmal, für welches er wohl jene Pieta, Welche jetzt in dem Hof des
Palastes Rodanini zu Rom steht, begonnen haben mag, die ihm in der Folgezeit Wieder-
um übertragenen grossartigen Unternehmungen hinderten ihn aber an dessen Vollendung.
Nach dem im Jahr 1546 erfolgten Tode des Ant. da Sangallo, ernannte der
Papst Michelangelo zum Baumeister der Peterskirche. Er weigerte sich zwar An-
fangs, wegen seines damals schon sehr hohen Alters, den Bau zu übernehmen, gab
aber dem Drängen des Papstes endlich nach, jedoch mit der ausdrücklichen Be-
merkung, dass er dafür keinerlei Lohn annehme, da er die Leitung desselben lediglich
um der Ehre Gottes und des heil. Petrus willen bis an sein seliges Ende zu führen
gedenke. Er fertigte auch binnen kurzer Zeit ein Modell, das dem Papste so äußerst,
WOlIl gefiel, dass er ihm ein Motu proprio ausstellte, worin ihm die unumschränkteste
Vollmacht in seiner neuen Stellung zugesichert wird. In diesem Modell gab er dem
Bau die Form des griechischen Kreuzes Wieder. Das äusserc Gewölbe der grossen
Kuppel wollte er, der grösscren Festigkeit willen, nicht wie Bramante auf Säulen,
sondern auf einer Mauer aufführen. Vier kleinere Kuppeln sollten die grosse uni-
geben und die Kirche eine Vorhalle mit vorspringendem Giebel erhalten. Mit ihm
begann nun eigentlich erst die Geschichte des jetzigen Gebäudes der Peterskirche,-
deiin was in seiner Anlage von den Entwürfen der vorigen Architekten herrührte,
hat bei der Ausführung eine gänzlich veränderte Gestalt erhalten und das Motu
PTßprio des Papstes bestimmte ausdrücklich, dass sein Plan als unveränderlich he-
trachtet Werden sollte und dass für alle künftige Zeiten keine Abweichung von denk
Selben mehr stattfinden dürfe. Unter Seiner Aufsicht Wurden die beiden Tribünen
des Quersßlliffs aufgeführt; Stau? der acht Altäre, die Bramante in jede derselben
Setzen wollte, errichtete er nur drei in ebensovielen Nischen. Die Pfeiler der Kuppel
11988 er verstärken und führte den Bau, Dank seiner rastlosen Thätigkeit und der
88111611811 Energie seines Geistes, trotz aller Kabalen der Anhänger des San gallo
gegen deren Gewinnsucht, wodurch Sie den Ball absichtlich in die Länge zu zieheri
flißiltell, er sich stark geäussert hatte und trotz der kärgliclien Geldmittel, die zuletzt
immer sparlicher Hessen, bis zum Schluss der Trommel, wo die Wölbung der Kuppel
begmnt: emPoY- Ja die Kuppel ist, obgleich er die Vollendung derselben nicht mehr
eTlebfe, ganz als sein VVerk zu betrachten, indem seine Freunde ihn glücklicher
Weise noch vor Seinem Tode veranlassten, ein genaues und dotaillirtes Modell davon
z" machen, Vün dem auch die Ausführung in keiner Beziehung abwich. Michel-
allgelo erscheint i" diesem Werke zwar nicht frei von mancherlei WVillkürlichkeiten
die Anlage des Gf-"Zell aber ist so eigenthümlich grandios, dass dieses Gebäude, Wenri
nicht SPatere Anfugungen den Totaleindruck beeinträchtigt hätten, zu den erhabensten
Werken der neuern Baukunst gehören würde.