Buonarotti, Michelangelo.
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Arbeit 1505 schon wieder aufgegeben wurde, nur eine Statue zu Stande, die des
heil. Matthäus (gegenwärtig in der Akademie der schönen Künste zu Florenz), und
diese ist nur aus dem Gröbsten gehauen, aber meisterhaft und kühn angelegt. Da-
zwischen arbeitete er ein Medaillon mit einer Madonna in Bronze, das nach Flandern
kam, und führte für Agnolo Doni, einen Bürger von lilorenz, ein Rundgemälde in
Ternperafarben aus, eine heil. Familie, mit einer Menge nackter Gestalten im Hinter-
grund (in der Tribune der Uflizien zu Florenz), ein im Ganzen wenig ansprechendes
Bild, gesucht im Hauptniotiv, mauierirt in der Farbe und hart in der Zeichnung.
Hatte er sich durch alle diese Werke schon einen sehr bedeutenden Namen er-
worben, so stieg sein Ruhm durch den im Jahr 1504 im Auftrag des nach dem Sturz
der Medici zum Galfoniere erwählten Piero Soderini und im Wettkampf mit Leonardo
da Vinci ausgeführten Carton der Pisaiier Schlacht auf's Höchste. Die iiorenti-
nische Regierung wollte nämlich den Justizpalast (Palazzo vecchio) mit Gemälden aus
den Grossthaten der Florentiner schmücken lassen. Leonardo hatte den Sieg der
Florentiner über die Mailänder bei Anghiari im Jahr 1440, ein mit grösstem Reich-
thum der Phantasie erfundenes Reitergefecht dargestellt, Michelangelo aber den
Beginn der genannten Schlacht, und zwar den Moment, in welchem ein Haufe iloren-
tinischer Soldaten, die eben im Arno baden, unerwartet den Aufruf zum Kampfe ver-
nimmt. Diess gab ihm Gelegenheit, den Reichthum und die Kühnheit seiner Phantasie
und seine erstaunliche Kenntniss des Nackten in schönster und lebendigster Entwick-
lung zu zeigen, und er entfaltete darin-seine_Meisterschaft und wunderbare Eigen-
thümlichkeit in jugendlicher Frische und Naivitat. Michelangelo soll nach dem
Zeugniss von Zeitgenossen nicht wieder etwas gleich Vollendetes in der Technik ge-
schaden haben. Als beide Cartons aufgestellt waren, strömten von allen Seiten die
jüngeren Künstler herbei, um an diesen unübertrerflichen Meisterwerken ihre Studien
zu machen, und es ist nicht zu verkennen , dass sie einen grossen und wesentlichen
Einfluss auf die vollständige Entwicklung der neuen Kunst ausübten. Sie wurden
nicht als Gemälde ausgeführt, auch die Cartons selbst sind zu Grunde gegangen, nur
einzelne Bruststücke haben sich von ihnen erhalten. Bastiano da Sangallo fer-
tigte im Jahr 1542 aufVasarTs Veranlassung eine Oopie des Haupttheils der Com-
Position jener Pisanerschlacht, grau in grau in Oel gemalt, von der man eine alte
Wiederholung zu Holkham in England (gest. v. Schiavonetti) zu besitzen glaubt;
einzelne Figuren und Gruppen daraus , zum Theil unter dem Namen der „Kletterer"
(les Grimpeurs) , sind aus verschiedenen. KUPfOTShIClIGII. von Mar c An to n und
Agostino da Venczia bekannth BBalceäo BilgllüllltlällbSliellt in dem üblen Ruf,
Michelangelds Carton aus Neid un os iei zers ör zu a an,
Aber erst nachdem der Kardinal dellcuRovere unter dem Namen Julius II. (1503)
den päpstlichen Thron bestiegen, begann für Michelangelo ein grossartigor Wirkungs-
kreis. Der Papst wollte sich nämlich ein mächtiges Grabinonument, wie kein zweites
vorhanden, gründen und berief zur Ausführung desselben Michelangelo 1505 nach
Rom. Dieser entwarf eine Zeichnung dazu, die an Grossartigkeit, Pracht und Reich-
thum der Statuen Alles übertraf und Julius so wohl gefiel, dass er beschloss, die
S. Peterskirche zu erneuern und dort dieses Grabmonument aufstellen zu lassen.
Dasselbe Sollte ein tenipelartiger Bau werden, mit gegen vierzig Statuen nebst Re-
liefs. Die Statuen sollten die vom Papst mit dem Kircheiistaat wieder vereinigten
Provinzen unter dem Bilde von gefesselten Gefangenen darstellen, ferner die Künste,
ebenfalls gefesselt, weil ihre Thätiglaeit durch seinen Tod gehemmt worden; sodann
Moses und Paulus, als Reprätcntanten des f-hätigen und beschaulichen Lebens. Auf
den Gipfel des Monumentes aber sollten die Statuen des Himmels und derlErde, als
Träger des Sarkophags, zu stehen kommen, der Himmel freudig, weil Jiilius sich zu
fhm erhoben, die Erde traurig, weil sie ihn verloren. (Eine Origiiialzeichnung davon
in der ilorentinischen Sammlung der Ha-ndzeichnungen.) So willkürlich, ja zwei-
"gellllhg glesäe Symbolikßuch war,_ das Grabmal wäre immerhin in seiner ursprüng-
"3 en assung als Plastisch architektonisches Ganzes wohl eines der ersten Werke
der Welt geworden, allem die Arbeit wurde bald unterbrochen. Nachdem Michel-