Buonarotti, Michelangelo.
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Formlosigkeit behütet. Später werden seine Bilder aufallend manierirt, ja aus seiner
grossen Werkstätte zu Rom, im letzten Jalljzehelld seines Lebens , ging nur Hand-
werksmässiges hervor. In der Zeichnung des Nakten richtete er sich nach Michel-
angelo, doch liefen im Feuer der Eründung starke Verzeichnungen mitunter; sein
Colorit ist glühend, aber bräunlich und hat dunkle und undurchsichtige Schatten.
Ausser den angeführten Bildern bewahrt das Museum in Berlin: einen Johannes,
den Täufer, und den zu Athen predigenden Paulus, welche ihm zugeschrieben W3fden_
Die Dresdner Gallerie besitzt eine Maria mit dem Kinde von ihm. In der Pinakothek
zu München sieht man: einen Apoll unter den Musen, ein Bild mit kleinen Figuren,
und im Louvre zu Paris: den Wettgesang der Musen und Pieriden. Auch in Eng-
land sind einige Bilder von Buonacorsi. Die Bildersammlung in Castle Howard besitzt
eine heil. Familie von ihm und die Gemäldesammlung zu Alhhorp das vortreffliche
Porträt des Kardinals Polo. In den Studj zu Neapel und in der Gallerie des Prinzen
von Salerno ebendaselbst beündet sich je eine heil. Familie; im Pal. Borghese zu
Rom sieht man eine Madonna, im Pal. Doria Pamiili daselbst eine Galathea.
Buonarotti, Michelangelo, Maler, Bildhauer und Architekt, einer der grössten
Künstler aller Zeiten, wurde am 6. März 1474 aus dem alten Geschlechte der Grafen
von Canossa zu Caprese oder Chiusi im Casentinerthale (nahe bei Florenz), wo sein
Vater, Lodovico, Podesta war, geboren. Er erhielt eine sehr sorgfältige Erziehung
und kam, nachdem sich bei ihm, im Umgang-e mit seinem Altersgenossen und Freunde,
Fr. Granacci, der bei Dom. Ghirlandajo die Malerei erlernte, ein entschiedenes
_Talent für die Kunst gezeigt hatte, in seinem 14. Jahre zu den Malern David und
Domenico Ghirlandajo zu Florenz in die Lehre. Hier widmete er sich mit leiden-
schaftlichem Eifer dem mit begeisterter Liebe erfassten Berufe, copirte anfänglich
alte Handzeichnungen mit bewnndernswiirdiger Treue, unter Anderem auch einen
Kupferstich von Martiii Schön, verbesserte selbst gelegentlich seinen Meister
Domenico in der Zeichnung und machte überhaupt so ausserordentliche Fortschritte,
dass seine Lehrer ihn nächst Granacci dem Lorenzo von Medici, der in seinem
Garten eine Schule für Maler und Bildhauer gegründet hatte, und junge talentvolle
Leute zur ferneren Ausbildung in derselben suchte , als die vorzüglichsten ihrer
Schüler empfehlen konnten. Er wurde in dieselbe aufgenommen und gewann hier,
als er Torrigiano runde Figuren in Thon modelliren sah , eine besondere Vorliebe
für die Bildhauerkunst, in der er sich nun vorzugsweise iibte, so dass er schon binnen
kurzer Zeit und ohne je Marmor und Meissel unter den Händen gehabt zu haben,
im Stande war, aus einem Stück Marmor den Kopf eines alten grinzenden Faun's
(noch jetzt in der Gallerie der Uiiizien zu Florenz), einem antiken nachgebildet, zu
meisseln. Durch diese höchst bedeutenden Resultate seines Studiums und Talents,
sowie durch sein liebenswiirdiges Betragen, erlangte er die Gunst Lorenzo's in so
hohem Grade, dass dieser ihn ganz in sein Haus aufnahm. Er studirt-e jetzt im Gar-
ten des prachtliebenden Lorenzo , woselbst sich die Schule befand, hauptsächlich die
daselbst aufgestellten Antiken, zeichnete auch viele Monate die Malereien des Ma-
saccio in S.Maria del Carmine, und führte um dieselbe Zeit, etwa in seinem 17. Jahre,
auf den Rath des gelehrten Poliziano, das über alle Massen herrliche Relief: Herkules
im Kanipfe gegen die Centauren, eine Arbeit voll Schönheit, Leben und Ausdruck,
aus. Dasselbe wird noch heute im Palazzo Buonarotti zu Florenz bewahrt, woselbst
sich auch das Flachreligf einer siiugenden Madonna belindet, das wahrscheinlich
noch vor jenem gefertigt wurde. Ein ähnliches Relief der Maria. mit dem Kinde, aus
derselben Zeit sieht man in der Akademie zu London.
Nach dem 1492 erfolgten Tode seines Gönners, Lorenzo von Medici, kehrte er
betrübt in sein elterliches Haus zurück, fertigte da eine vielfach bewunderte Statue
des Herkules , und für die Kirche S. Spirito zu Florenz, woselbst er in einer ihm vom
Prior eingeräumten Wohnung mit eiserne-m Fleisse dem Studium der Anatomie oblag,
das den Grund zu seiner nachherigen Vollkommenheit in der Zeichnung legte, ein
KTlIZiÜX V0l1 Holz, YVerl-ze, die leider nicht mehr vorhanden zu sein scheinen. Dem
Sturme zu entgehen, der, wie er. voraussah, sich über dem Haupte der Medici
Müller, Künstler-Lexikon. 14 .