Ben-ettini.
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übertrug, die an plastischem Hervortreten, Kraft und Zartheit der Tinten mit jedem
Oelgemälde wetteifern ._und für das Hauptwerk seines Lebens gelten. Nachdem er
hiegauf mehrere andere Fresken und Oelgemälde, worunter eine Kreuzabnahme, einen
Raub der Sabinerinnen, eine Alexandersschlacht, auch die Cartons zu den Mosaiken
der Kuppel der Peterskirche vollendet, ging er nach Florenz, wo er für den Gl-oss-
herzog Ferdinand II. im Pal. Pitti nach den Anleitungen des gelehrten Michelangelo
Buonarotti des Jüngern fünf Säle mit Fresken allegorischen, mythologischen und ge-
schichtlichen Inhalts schmückte, aber, erzürnt über eine ihm zugefügte Beleidigung,
rasch nach Rom zurückkehrte, ohne den sechsten, ihm übertragenen Saal gemalt zu
haben. In Rom entfaltete er nun, sowohl in Beziehung auf die grosse Menge von
Oel- und Frescomalereien, die er ausführte, und von denen wir nur die Deckengemälde
in der Chiesa nuova zu Rom, die Gallerie im Pal. Pamüli auf Piazza Navona mit
Scenen aus der Aenäide nennen wollen, als auf die grosse Schule, die er bildete,
und die Schüler, die sich um ihn schaarten, eine glänzende Wirksamkeit, durch welche
jene manieristische Verllachung in der Kunst der Malerei eingeführt wurde, die es
auf ein möglichst rasches und wohlfeiles Ausfüllen grosser Räume absah, daher alles
tiefere Eingehen auf die innere Bedeutung der Aufgaben bei Seite setzte, sich dafür
mit blendenden und gefalligen Wirkungen auf den äusseren Sinn begnügte und fast
das ganze 18. Jahrhundert hindurch dauerte. Berrettini besass eine schöpferische
Produktionskraft und ein sehr bedeutendes Talent, allein ohne allen Ernst und alle
Tiefe des Geistes , wie er war, fehlt seinen Werken auch jede tiefere gedankenvolle
Auffassung des Gegenstandes. Sein ganzes Streben ging darauf aus , durch den
Reichthum der Composition, durch grosse Mannigfaltigkeit der Stellungen und Grup-
pen , durch wirksame Massenkontraste, in der Anordnung, wie in der Haltung, durch
eine gewählte Beleuchtung und blühendes Colorit einen reizenden Gesammteifekt
hervorzubringen. Für diese Wirkungen gab er willig alle sonstigen, an ein tüchtiges
Kunstwerk zu stellenden wesentlichen Erfordernisse preiss. Seine Compositionen sind
meistens ohne tiefen Inhalt und dem conventionellen Effekt des Ganzen setzt er alle
Wahrheit hintan. Um ja recht reich zu erscheinen, überladet er seine Gemälde mit
einer grossen Anzahl gut gruppirter, aber meist müssiger Figuren und um der Gegen-
sätze willen müssen oft die Personen der ruhigsten Handlung darauf sich wie bei
gesteigerter Erregtheit der AKekte geberden. Seine Charaktere sind höchst ein-
förmig, wie wenn er für jedes Geschlecht und Alter nur eine Figur imd Gesichts-
bildung gehabt hätte, die sich in verschiedenen Ansichten und Stellungen wiederholt;
seinen Köpfen fehlt es im Allgemeinen an Adel und die seiner Frauen haben einen
aifektirten, lächelnden Ausdruck, der sie reizend machen soll; seine Zeichnung ist
oberflächlich und seine Gewandung hat einen von der Natur entfernten Faltenwurf von
ebenfalls einförmigem Charakter. In seinem Vortrag aber offenbart er eine ungemeine
Virtuosität, die indessen selbst wieder den Mangel an gründlicher Ausführung zu
verdecken hat. Uebrigens hat seine kühne und leichte Darstellungsweise etwas Im-
ponirendes und Bestechendes, und es ist nicht zu verwundern, dass sie in jener Zeit
der Abnahme der Kräfte in den italieniSßhen Zuständen überhaupt, wenn auch nißhii
ganz in dem eigenthümlichen Charakter des Meisters, so doch im Wesentlichen seiner
Kunstrichtung, so ausserordentlich schnell die entschiedene Oberherrschaft in ganz
Italien bekam. Als seine besten Schüler werden genannt: Ciro Ferri, Franc.
Romanelli, Pietro Testa, Luca Giordano, Jacques Bourguignvn n.S.W.
Die vorzüglichsten Bilder dieses äusserst fruchtbaren Künstlers in europäischen Ka-
binetten Sind: im Museum zu Berlin: Herkules von Liebesgöttern umgeben; in der
Gallerie zu Dresden: ein römischer Feldherr vor den Gonsuln; Merknf mahnt den
Aeneas, seine Abfahrt von Karthago ZU beschleunigen, und der KoPf eines alten
Mannes; in England: in der Gemäldesammlung zu Devonshire: eine vortreffliche
Landschaftf in der Gemäldesammlung zu Blenheim: der Raub der Sßhineiinnen, eines
der ausgezeichnetsten Bilder des Meisters; in der Grosvenorgallerie: Hagar in der
Wüste; in der Bildersammlung zu Corshamhouse: Maria in der Herrlichkeit von
mehreren Heiligen verehrt; zu Florenz im Pal. Pitti; S. Maria Egiziaca; in der