Einleitung.
ich glaube, in seiner vollen Wichtigkeit und Bedeutung noch nicht
richtig erkannt worden ist. Es darf hier, natürlich vorerst nur
andeutungsweise, an den merkwürdigen Ptahlbau der Finnen an
den Ufern der Schweizer Seen, an die rathselhaften Steinkonstruc-
tionen auf den Heiden des westlichen Europa (vielleicht irrthüm-
lieh den Kelten zugeschrieben), an die atriale Einrichtung der
skandinavischen Festhallen, an die mit Teppichen und farbigen
Reliefs geschmückten Tempel der Obotriten zu Rhetra am Tollenzer
See und den nicht minder wunderbaren Tempelbau zu Upsala, so
wie an die buntfarbig verzierten und mit reichem Holzsehnitzwerke
ausgestatteten Rhatischen Hütten erinnert werden. Desgleichen
erwähne ich jenes an irischen Schmucksachen sowie an skandina-
vischen Holzschnitzwerken fast in gleicher Weise hervortretende
seltsame Prinzip der Ornamentation, das in seinem Sclilangenge-
wirre gleichsam urweltlich und finster chaotisch erscheint, in dem
Zeitalter Karls des Grossen mit den antiken, d. h. gräkoitalisehen
ornamentalen Formen in Confliet geräth und sich mit ihnen zu
neuen Verbindungen einigt.
S0 geben sich die anscheinend ursprünglichsten socialen For-
men als dureh Naturereignisse oder politische Katastrophen von
früher bestandenen grossen Kulturstöeken abgerissene Bruchstücke,
gleichsam als erratische Blöcke zu erkennen und umgekehrt, zeigt
sich irgendwo auf dem für uns übersehbaren Felde der Kultur-
geschiehte das Phänomen des Zusammcntretens neuer socialer
Formen, so bestehen sie aus Bruchstücken der bezeichneten Art,
die irgend ein Naturereigniss, am häuiigsten aber das Bedürfniss
der Vertheidigung und gemeinsam gehegte Gier nach des reichen
Nachbarn Eigenthum zusammcnkittetc und deren jedes seinerseits
wieder ein Conglomerat oder eine Fusion der heterogensten Ucber-
bleibsel noch älterer und lange zerstörter Formationen der Ge-
sellschaft ist.
Ohne diese Voraussetzung gewisser in dem Bewusstsein der
rohesten Stämme fortlcbcnder Reminiscenzexi aus früherer staat-
licher Existenz würde das urplötzliche Entstehen neuer Gesell-
schaftsformen, wie sie die Geschichte aufweist, gar nicht erklär-
lieh sein.-
Wenn diess sich so verhält, und alles spricht dafür, so ist es
vergeblich, auf dem Boden der alten Welt die Gesellschaft in
ihren ersten Bildungsprocessen belauschen zu wollen, unmöglich die