Volltext: Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst ; mit 125 in den Text gedr. Holzschn. und 15 farb. Tondrucktaf (Bd. 1)

Einleitung. 
fördert durch soeial-politisehe Systeme, in den sprachlichen Formen 
gewisser Völker, wie z. B. bei den Chinesen, die keine Wort- 
Hexionen kennen und deren Sprache aus Elementen besteht, die 
unbiegsam und unverbunden sich aneinander reihen. Dennoch 
zeigt sich mehr bonzenhafte Versimpelung als kindliche Ursprüng- 
lichkeit in dieser Einfalt. 
Das Gleiche gilt in Beziehung auf die Kunstformensprache. 
Wo wir sie in ihrem ersten Lallen zu belauschen glauben, dort 
ist sie häufig wo nicht immer Verkommenheit früherer und reicher 
entwickelter Kunstzustande, wie dieses auch mit den socialen 
Verhältnissen derjenigen Völker der Fall ist, bei denen wir jene 
angeblich ursprünglichen Kunstforrnen beobachten. Wenigstens 
ist dieses von den Bewohnern der alten Welt, so weit sie Spuren 
ihres Daseins hinterliessen, nachweislich. Die rohesten Stamme, 
die wir kennen, geben nicht das Bild des Urzustandes der Mensch- 
heit, sondern das ihrer Verarmung und Verödung zu erkennen. 
Vieles deutet bei ihnen auf einen Rückfall in den Zustand der 
Wildheit oder richtiger auf eine Auflösung des lebendigen Orga- 
nismus der Gesellschaft in ihre Elemente hin. 
So ist das Patriarehenthum der Erzväter in der Euphratebene 
ein abgebroehenes Stück Despqtenthum, wie es früher, vor Abra- 
ham, in grossartiger staatlicher Entwicklung sicher bestanden 
haben musste. Wäre das Patriarehenthum die Urform der Ge- 
sellschaft, so müsste sich derselbe Zustand an ihren Anfangen 
überall zeigen. Dieses ist aber (lurehaus nicht der Fall; es gab 
und giebt zum Beispiel noch auf ähnlicher Bildungsstufe stehende 
Stämme, Hirtenvölker nämlich, die das kraftlose Alter verachten 
und tödten, die ihre Väter braten und verzehren, wie man diess 
von den wilden Herulern erzählt und wie es noch jetzt bei eini- 
gen Völkern der Südsee üblich ist. 
Die Stämme, die jetzt auf den verödeten Trümmerhiigcln Me- 
sopotamicns ihre Heerdcn weiden, wissen wie Abraham nichts 
mehr von den Zeiten, in denen ihre Vater mehr als einmal sich 
zu grossen und mächtigen socialen Verbindungen vereinigt hatten, 
und ihre jetzigen provisorischen Zeltdäeher und Smalas können 
mit grösserem Rechte als die Sinnbilder ihrer heutigen Fremd- 
und Heimathlosigkeit gelten, als man dafür hat, sie die Urtypen 
orientalischer Baukunst zu nennen.  
Nicht anders verhält es sich mit den Stämmen, die von Asien
	        
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