Volltext: Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst ; mit 125 in den Text gedr. Holzschn. und 15 farb. Tondrucktaf (Bd. 1)

Renaissance. 
Auf diese verweise ich auch bezüglich derjenigen Architektur 
die wir unter dem Namen des Renaissancestiles begreifen und 
die, wie eigentlich alle anderen Architekturen seit der antiken 
Zeit, die gothische nicht ausgeschlossen, in der Idee der Archi- 
tekten eine Wiederherstellung der alten Kunst war, während diese 
doch nur Einzelnes und zwar ohne Kritik aus der Antike ent- 
lehnten, aber, von einem wunderbaren eigenen Schöpfungsgeiste 
beseelt, Neues, Nieerreichtes schufen, indem sie nur wiederherzu- 
stellen glaubten. Die Renaissance hat den Irrthum die antike 
Skulptur und Architektur farblos zu sehen, auf eine Weise ver- 
daut und verarbeitet dass aus dieser Auffassung eine im hohen 
Grade selbstberechtigte Kunst hervor-ging.  
Jene monochromen Neuerer des cinquecento, welche die durch 
Tradition erhaltene aber an den Ueberresten der hervorgegrabenen 
Antiken verschwundene Vielfarbigkeit der Skulptur und Architektur 
alS bß-Tbarisßh und gothisch verwarfen, waren zu sehr Künstler als 
dass sie den durch das Fehlen der Farbe herbeigeführten Mangel 
an Wirkung und Leben an der Antike nicht hätten fühlen sollen. 
Sie legten der Antike die Schuld bei, anstatt die Lücke in ihrer 
Auffassung derselben zu erkennen, und suchten durch bewegte 
Formen und starke Contraste von Schatten und Lieht das Feh- 
lende zu ersetzen. 
So verfielen sie in eine Richtung die endlich mit dem Risalit- 
und Schnörkelwesen und mit borrominischer Coloratur in den For- 
men endigte. Zwischen diesem Extreme und dem wegen Mangels 
an Coloratur etwas mageren und kalten bramantesken Stile liegt 
für alle bildenden und technischen Künste diejenige Kunstperiode, 
die neben der des Phidias alleinig als vom Barbarenthume ganz 
emancipirt zu betrachten ist. Es wird sich anderswo Gelegenheit 
bieten auf sie zurückzukommen. 
Selnnn
	        
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