Volltext: Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst ; mit 125 in den Text gedr. Holzschn. und 15 farb. Tondrucktaf (Bd. 1)

Kunst. 
Textile 
Zeitalter. 
Christliches 
Reich. 
Westliches 
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ohne Selbständigkeit und bildet sie dennoch keinen mitthätigen 
Theil der Architektur; sie erhebt sich selten über ikonographi- 
sches Sein und ist hierin beinahe ägyptisch. 
Der Beziehungen zwischen dem hierarchischen Architektur- 
systeme Aegyptens und dem der katholischen Kirche des 13ten 
Jahrhunderts gibt es übrigens mehrere, über die bei anderer Ge- 
legenheit zu sprechen sein wird; die eine noch hebe ich hier 
hervor, dass das Ornament auch in der gothischen Baukunst sei- 
nen struktur-sylnbolischen Sinn aufgibt und nur locker mit dem 
Konstruktionskerne in Verbindung steht, theils als reine Zierde, 
theils mit tendenz-symbolischer Bedeutung. 
Man sollte meinen dass eine allgemeine Polychromie mit dem 
Prinzipe des gothischen Stiles unverträglich wäre, und dennoch 
ward sie niemals vollständiger und entschiedener angewandt als 
im 13. und 14. Jahrhunderte an den Werken der Baukunst und 
Skulptur dieser Zeit. Nur das Aeussere, (mit Ausnahme jedoch 
der Portale und einiger ausgezeichneter Theile, sowie des Daches) 
scheint die Naturfarbe des Steines behalten zu haben. Vielleicht 
fühlte man für das Innere das Bedürfniss der Lösung des vor- 
her gerügten Uebelstandes, der darin besteht dass es dem Auge, 
(das von Innen die Widerlager und Strebebögen nicht wahr- 
nimmt,) bei dynamisch auftretendem Ribbenwerke der Weitge- 
spannten Gewölbe und dem leichten Pfeilersysteme ohne Zwischen- 
Wände, an der nöthigen Beruhigung fehlt,  welche Lösung 
allerdings einigermassen erreichbar wird, wenn man mit Hülfe 
der Proiilirung und der Malerei den Gurtbögen und den Ribben 
der Gewölbe den Ausdruck der aus einzelnen Wölbsteinen be- 
stehenden Struktur benimmt und sie als gebogenes Astwerk oder 
als kontinuirliches, absolute Festigkeit besitzendes Rankengewebe 
durch Analogieen bezeichnet, die aus den textilen Künsten oder 
der Natur selbst entlehnt sind. 
Nach meinem Dafürhalten darf polychrome Bekleidung nirgend 
weniger fehlen, ist ihre vollständigste Durchführung nirgend mehr 
Bedürfniss als bei dem gothischen Baustile, auch kenne ich kein 
Gebäude dieses Stiles, das mein architektonisches Gefühl vollstän- 
dig befriedigt hätte, als vielleicht die vollkommen polychromatisch 
durchgebildete Ste. Chapelle zu Paris, dessen Architekt, der Ikti- 
nos des 13. Jahrhunderts, Peter von Montereau, auch durch die 
Disposition seiner Werke auf möglichste Beseitigung des oben-
	        
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