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Hauptstück.
Viertes
arm und miserabel eingerichtet wenn seine Wände nicht von
mächtigen und kostbaren Marmorfiillungen strahlen; wenn nicht
alexandrinischer Marmor mit numidischen Tafeln kontrastirt; 1
wenn nicht die kunstvolle und nach Art der Malerei in Farben
wechselnde Circumlitio (der Wachsüberzug der auch bei buntem
Marmor niemals fehlte) überall die Marmorfelder bunt umsäumt;
wenn nicht die Decke hinter Spiegelglas unsichtbar wird.
Dieser Passus, ausserdem dass er uns einen Beweis von der
zu Senekafs Zeit selbst unter den Mittelklassen herrschenden Ver-
schwendung in der Richtung der polylithen Wanddekoration gibt,
ist besonders wichtig auch desshalb weil er zeigt dass die cir-
cumlitio, die nichts anderes als diejenige Art von Glasur sein
kann die man allen marmornen Kunstprodukten, sowohl Statuen
wie Architekturtheilen, nach antikem Herkommen zu geben pflegte,
zu polychromer Dekoration benützt ward, indem man sie abtonte
und an gewissen Stellen buntfarbig variirte. 2 Ich erkenne in die-
sem Satze die kürzeste und doch genaue Beschreibung derjenigen
Procedur, die sich noch so deutlich in ihren Spuren an den
Marmortempeln Athens und an vielen Statuen erkennen lässt
Hier mit einigen Auslegern an Mosaikverbrärnungen zu denken, er-
laubt nicht die bestimmte Bedeutung des Wortes circumlinire, mit
einer deckenden (zunächst flüssigen) Substanz ganz überziehenß
Zu Plinius Zeit hatte man schon bedeutende Fortschritte in
dieser neuen Dekorationstechnik gemacht; er gibt die Ge-
schichte der Einführung des Marmors in Rom. Das erste Bei-
spiel gab der Redner L. Crassus, der für sein Haus auf dem Pa-
latinus sechs kleine nur zwölf Fuss hohe Säulen von dem Hymettus
bezog. Ihm folgte M. Scaurus, der während seiner Aedilität
360 Säulen zur Scenenausschmückung seines provisorischen Thea-
ters herbeiholte. Er verwandte später die schönsten und grössten
derselben um das Atrium und das Peristyl seines Hauses auf dem
Palatin damit zu schmücken.
Die ersten Marmorbekleidungen der Wände führte Mamurra,
der praefectus fabrorum des J. Caesar in Gallien, in seinem Hause
.1 Nisi alexandrina marmora Numidicis crnstis distincta sunt: Senec. epist.
86, 5. Ich glaube nicht dass hier Seneca schon an das künstliche Marmoriren
der Platten gedacht habe, dessen Plinius erwähnt.
2 Operosa et in modum picturae variata circumlitio.
3 Horaz sagt: Musco circumlita saxa.