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Hauptstück.
Viertes
und Vervollkommnung jener Art von Wanddekoration mit farbi-
gem Putze geführt, die Vitruv in seinem 7ten Buche mit grosser
Genauigkeit beschreibt, indem er zugleich zu verstehen gibt, dass
die Griechen in der Verfertigung derartig variirten Putzes der
Wände besonders geübt und geschickt waren, so dass man alte
griechische Mörtelfüllungen herausschnitt, um sie in Rom in die
Mauerwände gleich Bildern oder lillarmortafeln einzulassen. Die
Römer folgten also wiederum alexandrinischen Vorbildern in
jener Art von Inkrustation, die im Kalkmörtel mit Füllungen
gleichen. Stoffes und im Nassen ausgeführt wurde, nach einer
Procedur, die viele Verwandtschaft mit derjenigen hat die in der
modernen Freskomalerei angewandt wird. 1
Vitruv gibt deutlich zu erkennen dass er nur an griechische
Vorgänger in der Kunst des Wanddekorirens dachte, wenn er
von den Alten (antiqui) sprichtß und verräth zugleich eine im-
richtige Anschauung der Geschichte derselben, wenn er sich in
dem Öten Kapitel seines 7ten Buches dahin äussert, dass die Er-
linder der Kunst des Wandputzens zuerst die Verschiedenheiten
der bunten Marmorkrusten nachahmten und sie neben einander
ordneten, dass erst hernach die Stuckaturgesimse und die ocker-
gelben und zinnoberrothen Füllungen in Stuck und ein diesem
Prozesse entsprechendes System der Distribution der YVand in
Felder aufkamen, dass man endlich zur eigentlichen Skenogra-
phie überging, perspektivisch architektonische Ansichten an die
Wand malte, vorspringende Kolonnaden, Frontispize und dergl.
nachahmte, ferner an passenden Orten historische Malerei im
grossen Stile ausführte," mit Götter- und Heroenbildern, mythi-
schen Darstellungen, trojanischen Kämpfen, oder Scenen aus der
Odyssee. "Aber diese naturwahrenMotive, fahrt Vitruv weiter
fort, werden jetziger Zeit mit verkehrtem Sinne verworfen. Man
malt lieber auf dem Mörtelgrunde der Wand Ungeheuer als be-
stimmte Abbilder wirklicher Dinge; statt der Säulen setzt man
Rohrstengel, statt der Frontispize kleine harpyenartige Missge-
burten, die in krausem Blattwerk und aufsteigenden Schnörkeln
endigen. Ferner Kandelaber, die kleine Tempelmodelle tragen,
1 Genau beschrieben in dem verüienstlichen Buche: Die Malerei der Alten
in ihrer Anwendung und Technik etc. von R. Wiegmaun. Hannover 1836.
2 Vitruv zeigt sich überhaupt in seinem ganzen Werke als entschiedener
Gräkomane.