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Kunst.
Die Römer.
Frühe Zeit.
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stilhistorisch erklärbar, durch viele Stellen des Vitruv, Plinius,
Cicero, 1 Seneca und anderer nachweisbar ist, und diese expolitio
war farbig, wobei das Weiss so gut wie jede andere Farbe
allerdings häufige Anwendung fand, obschon keineswegs als Nach-
ahmung weissen Marmors, wobei aber das Roth den reichsten
und belbbtesten Grundton bilden mochte, wie es noch zu
Vitruvs Zeiten, nach dem was sich darüber aus seinem 7ten Buche
entnehmen lässt, der Fall war. Dieser uralte Gebrauch lässt sich
sogar noch an 'l'ravertinwerken späterer Zeiten nachweisen. So
am Kolosseum, dessen Konstruktion, nämlich dessen Fugenschnitt,
noch nicht berechnet ist die Wirkung des Werkes zu heben; so
auch an einem alten, wahrscheinlich republikanischen, Arkaden-
baue, der zu meiner Zeit (im Jahre 1832) an dem Fusse des
Palatins neben der via Sacra unweit des Titusbogens entdeckt
wurde und mit rothem Stuck überzogen War. Ich könnte noch
mehr Beispiele anführen, wüsste ich nicht wie leicht es den
Aesthetikern wird sie Wegzuleugnen. Auch Ziegelmauern, sowie
das opus reticulatum und opus incertum, die Netzkonstruktionen
und die Bruchsteinkonstruktionen, zu denen unter den Rö-
mern bei Civilbauten das cyklopische Gemäuer zusammen-
schrumpfte, blieben nicht frei von dieser Umhüllung, wie die
sullanischen Terrassenwerke zu Präneste und unzählige Beispiele
besonders aus Pompeji und Herkulanum darlegen. An letzteren
Orten sind die ältesten Werke aus schönstem opus retieulatum in
kleinen quadratischen Tuffsteinen ausgeführt, wovon noch ganze
Wandflächen den ursprünglichen farbigen Stucküberzug, die
expolitio, behielten. "Erst in die spätere Zeit, von der sogleich
die Rede sein wird , fällt die Einführung der rothen genuinen
Ziegelfarbe als polylithe Wanddekoration, wie sie wenigstens an
den Gesimsen der beiden kleinen Ziegeltempel oberhalb des
Egeriathales bei Rom sich gezeigt haben muss, da sie mit schwarz-
1 Eine Hauptstelle bleibt das oben angeführte Witzwort des Cicero über
die bunten Mauern der Chioten. Im Livius und im Cicero ist mehrfach von
einer neuen dealbatio die Rede, welche Ulrichs, Kugler und andere für Weiss-
tünche nehmen, obschon sie, wie ich zeigte, stets von der Malerei. unzertrenn-
lich war. Das Bad des Scipio Africanus bestand nach Sen. epist. aus Quader-
gemäuer mit Stuckbekleidung (tectorium): Plinius spricht vom Färben der
Quader (lapidem tingere).
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