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Viertes Hauptstück.
unzertrennlich von dem dasselbe schützenden Stueküberzuge zu
denken hat. Hierüber gibt das 2te Buch des Vitruv die zuver-
lässigsten Daten, die auch durch Plinius bestätigt werden, der sie
entweder von ersterem entlehnte oder mit ihm aus Einer Quelle
schöpfte. Nach diesen Nachrichten waren zu Athen sogar Stadt-
mauern, sowie die Zellenwände des olympischen Zeustempels, opus
lateritium, das also zu der Zeit der Pisistratiden noch für Pracht-
gebäude und zur Befestigung angewandt wurde. Auch zu Rom
war es noch in später Kaiserzeit in häufigem Gebrauche und
wurde es Wegen seiner Solidität anderem Maucrwerke vorgezogen,
Wahrscheinlich führten Italer schon nach asiatischem Vorbilde
ihre Bögen in diesem Materiale aus und finden die Antepag-
mente oder Arehivolten aus dieser Stotfanwendung noch natür-
lichere Erklärung. Nur zu Wallmauern, Wasserwerken und
Substruktionen wandte man die Saxa quadrata oder die lapides
quadratos, die Quadersteine an, jedoch eigentlich nur, wie in
dem Abschnitte über Steinschnitt gezeigt werden wird, nach eben-
falls asiatischem Vorbilde, zu der lnkrustirung eines aus minder
festem Stoffe bestehenden Kernes. Zu diesem Kerne bediente
man sich der caementa oder Bruchsteine, die mit der materia,
dem Mörtel, vermischt, das Füllwerk zwischen den Quaderwänden
bilden. Die eigentliche Backsteinkonstruktion (aus gebrannten
Ziegeln) inag erst zu sullanischer Zeit gegen das Ende der
Republik Eingang gefunden haben und war noch zu Vitruvs
Zeit selten.
Der Marmor wurde in früherer Zeit weder von den Etruskern
(die ihren lunensischen Stein] kannten, aber nicht baulich be-
nützten) noch von den Römern und den übrigen Völkern Mittel-
italiens gebraucht, sondern man bediente sich für Steinkonstruktio-
nen vorzugsweise der verschiedenen leicht verarbeitbaren und den
Kalk gut aufnehmenden Tuffsteine und Kalksinter; in Rom dient
dazu zuerst der grüngraue albanische Peperin, hernach der tibur-
tinische Kalksinter Cllravertin). Diese sekundären Stoffe blieben,
wenigstens in der eigentlichen Baukunst, (deren Werke von den
grossen Nutzwerken, wie wir öfters gezeigt haben, überall im
Alterthume durchaus getrennt gedacht wurden,) niemals ohne ihre
expolitio, d. h. ohne ihre Bekleidung mit Stuck, was, an sich
' Man findet, wahrscheinlich sehr alte, Strausseheier und anderv
Gegenstände aus lnnensischem Marlnor in hetrnrischen Gräbern.
kleinere